Eurogruppe wird transparent - aber nur ein kleines bisschen

Tagesordnung, Zusammenfassung: Finanzminister wollen wenig Einblick gewähren / Grüner Giegold: Schritte ermöglichen noch keine demokratische Kontrolle

  • Tom Strohschneider
  • Lesedauer: 4 Min.

Als in dieser Woche in Berlin das linke, europäische Projekt DiEM25 vorgestellt wurde, formulierte der griechische Ex-Finanzminister auch noch einmal eine der Sofortforderungen der Demokratie-Bewegung: volle Transparenz bei der Entscheidungsfindung auf europäischer Ebene.

Yanis Varoufakis hat seine Erfahrungen vor allem mit der Eurogruppe gemacht - in dem demokratisch schwach legitimierten, kaum kontrollierbaren und von deutschen Regierungsinteressen dominierten Gremium wird verhandelt, was für das Leben von Millionen von Europäern entscheidend ist. Zum Beispiel Kürzungsauflagen. Doch was, wer und warum dort entscheidet, wer sich wem aus welchen Gründen unterordnet, welche alternativen Positionen zur Wahl gestellt werden – all das bleibt bisher hinter dem Vorhang der EU-Geheimniskrämerei verborgen.

Das Problem ist ein Grundsätzliches, es unterläuft den demokratischen Gedanken. Nichtöffentlichkeit sichert Herrschaft ab. Das will DiEM25 ändern. Nun haben sich die Euro-Finanzminister tatsächlich zu mehr Transparenz ihrer Sitzungen bekannt - allerdings ist es ein Minischritt auf dem politischen Millimeterpapier, kein großer Sprung.

Wie Eurogruppenchef Jereon Dijsselbloem nach dem jüngsten Treffen der Ministerrunde am Donnerstag mitteilte, sei dort auch über die Frage der Transparenz diskutiert worden. Man habe Übereinstimmung darin gefunden, dass künftig ein vollständiger Entwurf der kommentierten Tagesordnung und eine Zusammenfassung des Treffens aus Sicht des Präsidenten der Eurogruppe veröffentlicht werden. Auch gebe es »grundsätzliche Unterstützung« für die Veröffentlichung von Dokumenten - allerdings nur soweit dies auch möglich sei.

Schon länger drängt auch der Grünen-Politiker Sven Giegold auf mehr Transparenz. Der Verfassungsschuss des Europaparlaments hatte vergangenes Jahr den Ex-Attac-Aktivisten beauftragt, Vorschläge für mehr »Transparenz, Verantwortlichkeit und Integrität in den EU-Institutionen« zu formulieren - einer von Giegolds Punkten in dem Entuwrf zum Bericht: »Transparenz und Rechenschaftpflichtigkeit bei Entscheidungen in der Eurozone«.

Die Finanzminister der Eurogruppe hätten »viele grundlegende Entscheidungen während der Eurokrise getroffen, ohne dass Bürger und Parlamente vollständig nachvollziehen konnten, wer welche Position vertreten hat«, sagt der Grüne. »Solche Geheimhaltung zerstört demokratische Rechenschaftspflichtigkeit. Wir wollen, dass Entscheidungen in der Eurogruppe, im Wirtschafts- und Finanzausschuss, ›informellen‹ Finanzministerräten und Euro-Gipfeln transparent und rechenschaftpflichtig werden, auch durch die Veröffentlichung von aussagefähigen Protokollen.«

Den nun von der Eurogruppe angekündigten Schritt bezeichnete Giegold als grundsätzlich positiv - aber er ermögliche »noch keine demokratische Kontrolle« des Gremiums. »Die Hinterzimmerpolitik der Eurogruppe muss ein für alle mal vorbei sein. Da die Eurogruppe nur Zusammenfassungen ihrer Treffen und keine vollständigen Protokolle veröffentlichen will, bleibt weiterhin unklar, welche Positionen einzelne Regierungen vertreten haben«, sagte der Grünen-Politiker.

Demokratische Kontrolle sei erst möglich, »wenn die Bürger nachvollziehen können, welche Position ihre Regierung in Brüssel vertreten hat. Die Eurogruppe sollte daher nachlegen und vollständige Protokolle ihrer Treffen veröffentlichen«, so Giegolds Forderung. Außerdem müssten die Beschlüsse zur Transparenz nicht nur für die Eurogruppe selbst gelten, sondern auch für die Eurozone Working Group, in der die Treffen der Finanzminister vorbereitet werden.

Die Forderungen von DiEM25 nach mehr Transparenz gehen noch deutlich weiter. Man verlange »volle Transparenz bei der Entscheidungsfindung« auf EU-Ebene, heißt es im Gründungsmanifest der europäischen Bewegung. Dazu gehöre es, Sitzungen des EU-Rats, von Ecofin, Beratungen über Steuerfragen und Sitzungen der Eurogruppe »per Livestream« öffentlich zu machen. Auch die Protokolle der Sitzungen des Gouverneursrats der Europäischen Zentralbank sollen nach dem Willen von DiEM25 »innerhalb weniger Wochen veröffentlicht werden«. Für Dokumente über wichtige Verhandlungen wie die über das umstrittene Freihandelsabkommen TTIP oder so genannte »Rettungskredite« für Staaten, sollen ins Netz gestellt werden - für alle sichtbar.

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