Billiges Öl macht Benzin in Venezuela teuer

Südamerikanischer Staat ist durch den sinkenden Ölpreis finanziell in Bedrängnis / Drastische Benzinpreis-Erhöhung soll Staatskasse füllen / Gleichzeitige Strategiesuche im Rahmen der OPEC

  • Lesedauer: 2 Min.
Nirgendwo auf der Welt kann man so billig tanken wie in Venezuela, die Flasche Wasser kostet weit mehr als ein voller Tank. Doch um die leere Staatskasse zu füllen, soll der Benzinpreis nun mehr als verzehnfacht werden.

Caracas. Das kurz vor dem wirtschaftlichen Ruin stehende Venezuela wird erstmals seit fast 20 Jahren den Benzinpreis anheben - und zwar drastisch. Das Land mit den größten Ölreserven der Welt subventioniert das Benzin bisher mit rund zehn Milliarden US-Dollar im Jahr. »Wir haben das billigste Benzin der Welt. In den USA kostet ein Liter mindestens 0,78 Dollar (...) und in Venezuela nur 0,01 Dollar«, verteidigte der sozialistische Präsident Nicolás Maduro in einer Ansprache die Maßnahme. Diese sei notwendig, um die tiefe Krise zu bekämpfen. Die Benzinpreise werden nun mehr als verzehnfacht.

Eine Benzinpreis-Erhöhung galt bisher aus politischen Gründen als sehr heikel, 1989 war es bei einem solchen Vorhaben zu schweren Unruhen mit Hunderten Toten gekommen (»Caracazo«). Nun soll der Liter Normalbenzin rund einen Bolivar kosten und Superbenzin sechs Bolivar - was angesichts der Wechselkurse auf dem Schwarzmarkt bedeutet, dass 100 Liter Benzin immer noch nur knapp 15 US-Cent beziehungsweise 75 US-Cent kosten. Aber die Devisen sind knapp und die Inflationsrate mit über 200 Prozent die höchste der Welt, weshalb viele Bürger gegen die zahlreichen Preissteigerungen aufbegehren.

Die Opposition, die im Dezember bei der Parlamentswahl eine Mehrheit in der Nationalversammlung erringen konnte, wirft Präsident Maduro Misswirtschaft vor und strebt ein Referendum zu seiner Abwahl an. Maduro hingegen sieht die Krisenursache im gefallenen Ölpreis. Und tatsächlich leidet die Staatskasse beträchtlich unter dem Tiefstpreis. Das Wirtschaftsmagazin »Economist« hat unter dem Titel »Wer hat Angst vor billigem Öl« eine Übersicht erstellt, ab welchem Punkt – also bei welchem Ölpreis – einzelne Förderländer in Schwierigkeiten geraten. Das »Handelsblatt« dokumentiert die Ergebnisse wie folgt: Venezuela bräuchte beispielsweise einen Ölpreis von 120 Dollar je Barrel (159 Liter), um seinen Haushalt auszugleichen. Davon ist er im Moment weit entfernt, der Ölpreis stand zuletzt oft unter 30 Dollar je Barrel. Um Abhilfe zu schaffen kündigte Präsident Maduro ein Bündnis mit anderen Ölstaaten an und hat seinen Außenminister zu Gesprächen nach Moskau, Teheran, Katar und Algerien entsandt. Doch bislang ohne durchschlagenden Erfolg.

Der sich komplett im Staatsbesitz befindliche Konzern PDVSA ist das größte Erdölunternehmen Lateinamerikas - und schwer unter Druck. Mit seinen Einnahmen werden die Sozialprogramme für untere Schichten finanziert. Im Moment bleibt für diese Programme kaum etwas. Das Unternehmen hat rund 150.000 Mitarbeiter und nach eigenen Angaben Förderkosten von 13 Dollar je Barrel Erdöl. Die Fördermenge soll derzeit 2,8 Millionen Barrel Öl und Flüssiggas pro Tag betragen. dpa/nd

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