Obamas letzter Versuch zur Schließung von Guantanamo

US-Präsident legt Plan zur Schließung des Gefangenenlagers vor und stößt auf Kritik

  • Olaf Standke
  • Lesedauer: 4 Min.
US-Präsident Obama unternimmt einen letzten Anlauf zur Schließung von Guantanamo. Die Kritik der Republikaner war vorhersehbar, doch selbst Amnesty International hat Bedenken - weil ein grundlegendes Problem nicht gelöst wird.

Die Pressekonferenz von Barack Obama am späten Dienstagnachmittag (Ortszeit) war kaum beendet, da prasselte auch schon schärfste Kritik der Republikaner auf den US-Präsidenten ein. Auch die Präsidentschaftsbewerber der Grand Old Party ließen kein gutes Haar am neuesten Vorstoß der Regierung zur überfälligen Schließung des weltweit angeprangerten Gefangenenlagers auf dem US-Militärstützpunkt Guantanamo. Kurz vor Fristablauf hat Obama dem Kongress nun seinen immer wieder hinausgeschobenen Plan vorgelegt.

Das Lager wurde 2002 nach den Anschlägen vom 11. September 2001 und dem Beginn des US-Krieges in Afghanistan eingerichtet, um Terrorverdächtige ohne Kriegsgefangenenstatus festzuhalten – gleichsam im juristischen Niemandsland. Insgesamt waren hier bisher fast 800 Menschen inhaftiert. Das Aus von Guantanamo gehörte einst zu den wichtigsten Wahlkampfthemen Obamas. Schon kurz nach Einzug ins Weiße Haus hatte er die Schließung per Dekret angeordnet. Knapp elf Monate vor dem Ende seiner Amtszeit ist die Zahl der Gefangenen zwar auf 91 gesunken, doch dieser »Schandfleck Amerikas« (Originalton Obama) existiert noch immer. Auch im gerade vorgelegten Report von Amnesty International (AI) zur weltweiten Menschenrechtslage wird das Lager scharf angeprangert. Es sei seit vielen Jahren klar, dass Guantanamo »unsere nationale Sicherheit nicht erhöht. Es unterläuft sie«, argumentierte Obama jetzt erneut. Das Lager sei »kontraproduktiv im Kampf gegen Terroristen, weil es ihnen als Propagandamittel für Rekrutierungen dient«.

Nun also der voraussichtlich letzte Versuch, ohne diesen Schandfleck seine achtjährige Präsidentschaft zu beenden. Der vom zuständigen Pentagon ausgearbeitete Vier-Punkte-Plan zur Abwicklung sieht vor, dass von den verbliebenen Gefangenen in den nächsten Monaten jene 35, deren Freilassung bereits genehmigt wurde, in ihre Heimat oder in Drittländer überstellt werden, Bei anderen will man die Überprüfung beschleunigen, inwiefern sie noch eine Gefahr für die Sicherheit der USA darstellen, um sie dann ebenfalls abzuschieben. Zugleich strebt Obama die Reformierung der umstrittenen Militärtribunale an, vor denen sich derzeit zehn mutmaßliche Terroristen verantworten müssen. Der Präsident bevorzugt allerdings Zivilgerichte, die Militärtribunale seien »sehr kostspielig« und stünden für »jahrelange Prozesse ohne Ergebnisse«.

Die übrigen Gefangenen gelten als hochgefährlich, sie sollen in Militärgefängnisse oder Hochsicherheitsanstalten auf US-amerikanischem Territorium verlegt werden – wohin genau, sagte Obama jetzt nicht. Wie aus Regierungskreisen verlautet, gehe es um 13 mögliche Standorte, darunter vor allem das Militärgefängnis Fort Leavenworth im Bundesstaat Kansas. Das Pentagon geht davon aus, dass der Staat knapp eine halbe Milliarde Dollar aufwenden muss, um bestehende Haftanstalten anzupassen oder neue zu bauen. Weil auch diese Kosten kritisiert werden, hat die Regierung eine Gegenrechnung aufgemacht: Die Betriebskosten der neuen Gefängnisse würden Jahr für Jahr etwa 200 Millionen Dollar unter denen von Guantanamo liegen, wo man jährlich fast eine halbe Milliarde Dollar für die Überwachung und Versorgung der Gefangenen ausgibt.

Trotzdem scheint es unwahrscheinlich, dass Obama dieses Konzept noch bis Januar 2017 umsetzen kann. Vor dem Hintergrund früherer Vorstöße hat der Kongress per Gesetz entschieden , dass die Guantanamo-Häftlinge grundsätzlich nicht auf US-amerikanisches Festland verlegt werden dürfen. Da die Republikaner inzwischen sowohl im Abgeordnetenhaus als auch im Senat die Mehrheit haben, dürfte sich daran kaum etwas ändern.

Mitch McConnell, der republikanische Fraktionschef im Senat, erklärte jetzt zwar, man werde den Plan prüfen. »Aber da er vorsieht, dass gefährliche Terroristen in Einrichtungen in amerikanischen Gemeinden gebracht werden, sollte er (Obama) wissen, dass sich der Kongress schon parteiübergreifend gegen so etwas ausgesprochen hat.« Präsidentschaftsbewerber Ted Cruz nannte den Amtsinhaber verblendet: »Wir müssen Terroristen nicht auf unseren Boden holen, um zu beweisen, wie erleuchtet wir sind.« Und sein Konkurrent Marco Rubio warf Obama vor, sein politisches Erbe über die Interessen des amerikanischen Volkes zu stellen. Und selbst Amnesty International, das das Bemühen um eine Guantanmo-Schließung zwar grundsätzlich begrüßt, sieht den Plan auch kritisch. Denn er »würde die unbefristete Inhaftierung nicht beenden, sondern sie nur auf das amerikanische Festland verlagern«, so Naureen Shah. »Die Möglichkeit, dass hier ein paralleles System mit lebenslangen Inhaftierungen ohne Anklage entsteht, würde einen gefährlichen Präzedenzfall schaffen.«

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