Aktionäre mit Rekorddividenden und virtuellen Kapitalverlusten

Börsianer und Europäische Zentralbank sorgen sich besonders um Großbanken

  • Hermannus Pfeiffer
  • Lesedauer: 3 Min.
Die meisten DAX-Unternehmen zahlen Rekorddividenden. Wovon Sparer nur träumen können: Aktionäre kassieren durchschnittlich drei Prozent Rendite - allein aus der Ausschüttung.

Ralph Dommermuth hat gerade eine Viertelmilliarde Euro verloren. Der gelernte Banker ist Gründer und größter Aktionär der United Internet AG im Westerwald. Am Donnerstag, nach der Bekanntgabe der neuesten Geschäftszahlen, stürzte der Kurs der Aktie ab. Dabei hatte Dommermuth als Chef von Marken wie 1&1 und Web.de eigentlich alles richtig gemacht: Der Umsatz war im vergangenen Jahr um ein Fünftel gestiegen, die Zahl der Kunden hatte um 1,2 Millionen zugenommen und der Gewinn vor Steuern war auf 771 Millionen Euro gestiegen. Doch den Börsianern war dieser Aufschwung nicht rasant genug. Dommermuths Aktienkurs fiel.

Gerade in Zeiten allgemein steigender Börsenkurse erwarten die Anleger oft wahre Wunder. So stieg der wichtigste deutsche Aktienindex im Jahr 2015 von 9700 zeitweise auf gut 12 300 Punkte. Getrieben vom billigen Geld der Notenbanken legten auch international die wichtigsten Aktienindizes kräftig zu.

Aber nicht alle Firmenwerte profitieren davon. Die am Mittwoch in Düsseldorf veröffentlichte »Watchlist« der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW) zeigt denn auch viele »Kapitalvernichter«. An Nummer eins steht mit Vtion Wireless Technology, ein Anbieter von Mobilfunk-Datenkarten. Der Kurs der Aktie verlor in einem Jahr über 70 Prozent, über einen Fünfjahreszeitraum waren es sogar mehr als 90 Prozent. Der zweite Platz auf der Kapitalvernichterliste geht an den Maschinenbauer Singulus Technologie. Gefolgt von Solarworld, einem Solarstromtechnologieunternehmen, und der Telefonauskunft Telegate.

Allerdings stehen Kapitalverluste meist nur auf dem Papier. Solange Aktionäre wie United-Internet-Chef Dommermuth ihre Aktien nicht verkaufen, bleiben die Verluste virtuell. Ohnehin bezieht sich die Watchlist der Aktionärsvereinigung DSW lediglich auf einen begrenzten Zeitraum. So führte Adidas die Liste der Kapitalvernichter 2014 noch an - und wurde 2015 mit einem Plus von rund 60 Prozent Sieger im DAX.

Allerdings gilt die Börse als Barometer. »Es bleibt ein Warnsignal, das man als Aktionär ernst nehmen sollte, wenn eine Gesellschaft auf der DSW-Watchlist auftaucht«, warnt Marc Tüngler, Hauptgeschäftsführer der DSW. Kursverluste und niedrige Dividenden könnten ein Zeichen sein, dass ein funktionierendes, weil Gewinn abwerfendes Geschäftsmodell fehle.

Selbst Größe schützt nicht vor Kapitalvernichtung. So tauchen in der Watchlist fünf DAX-Gesellschaften auf. Ganz unten steht RWE mit einem Kursminus von mehr als 50 Prozent. Schlecht schneiden auch der andere Energiegigant E.on und der Düngemittelkonzern K+S ab. Als mittelschwere Flops listet DSW auch Commerzbank und Deutsche Bank auf.

Um die Geschäftsmodelle der beiden Großbanken - die Deutsche gilt den Aufsehern der G20-Staaten weltweit als »systemrelevant« - ist es also möglicherweise schlecht bestellt. Die Europäische Zentralbank (EZB) mahnt Europas Banken - angesichts des anhaltenden Zinstiefs - zur Anpassung ihrer Geschäftsmodelle. »Ich glaube, Banken haben Spielräume für Veränderungen, Banken können effizienter arbeiten«, sagte die Chefin der EZB-Bankenaufsicht, Danièle Nouy, am Mittwoch in Frankfurt. Die Börsenturbulenzen Anfang dieses Jahres hätten gezeigt, dass sich viele Investoren Sorgen machten, ob die Geldinstitute auf Dauer genügend profitabel arbeiten können. Solche Zweifel haben »Investoren« eingepreist in die Aktienkurse, bei Dommermuths Firma ebenso wie bei der Deutschen Bank. Kommentar Seite 4

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