Nichteheliche Familien beim Elternunterhalt aufgewertet

BGH-Urteil zum Elternunterhalt

  • Lesedauer: 3 Min.
Partner, die in einer nichtehelichen Familie zusammenleben, müssen künftig weniger Pflegekosten für ihre gebrechlichen Eltern bezahlen als bislang.

In solchen Fällen kann vom Einkommen des Betroffenen ein Betreuungsunterhalt für jenen Partner abgezogen werden, der die gemeinsamen Kinder betreut und deshalb keinen Beruf ausüben kann. Das geht aus einem Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) am 9. März 2016 (Az. XII ZB 693/14) hervor.

Das Gericht würdigte damit die freiwillige Familienleistung in nichtehelichen Partnerschaften. Einen gleichwertigen Anspruch auf einen Familienselbstbehalt wie Verheiratete haben die Partner in »wilden Ehen« damit aber noch nicht.

Elternunterhalt

Wie funktioniert das mit dem Elternunterhalt?
Ein Pflegedienst oder ein Platz in einem Altenheim sind teuer. Reichen Rente und Pflegeversicherung nicht und sind die Ersparnisse des Betroffenen aufgebraucht, springt der Staat mit Sozialhilfe ein.

Allerdings ist jeder grundsätzlich verpflichtet, seinen Eltern Unterhalt zu zahlen, wenn die nicht mehr selbst für sich sorgen können. Das Sozialamt verlangt unter Umständen von den Kindern das Geld zurück.

Was man für ein Verhältnis zu seinen Eltern hat, interessiert dabei kaum. Nach einem BGH-Urteil von 2014 musste ein Mann für seinen Vater zahlen, obwohl dieser seit vier Jahrzehnten keinen Kontakt mehr zu ihm hatte.

Wie viel Geld müssen Kinder für ihre Eltern aufbringen?

Das hängt ganz von der persönlichen Lebenssituation ab. Denn Unterhalt zahlen muss nur, wer dazu auch in der Lage ist.

Zentrale Größe ist dabei das eigene Jahreseinkommen, das noch um bestimmte Faktoren bereinigt wird. Vorrang vor den Eltern haben außerdem die eigenen Kinder und der Ehepartner.

Wie viel Geld man für sich selbst und die Familie behalten darf, lässt sich aus der »Düsseldorfer Tabelle« ablesen. Dort werden aktuell mindestens 1800 Euro im Monat und noch einmal 1440 Euro für den Partner als angemessen festgesetzt. Nur von dem, was dann am Ende übrig bleibt, muss man Unterhalt zahlen. AFP/nd

Im aktuellen Fall stritt sich ein Familienvater aus Kehlheim mit dem Land Berlin. Der Kläger, der ein monatliches Nettoeinkommen von 3300 Euro hat, sollte sich mit rund 270 Euro an den Pflegekosten für seinen Vater beteiligen, da dessen Rente und Pflegeversicherung dafür nicht ausreichten. Der Vater wird seit Jahren in seiner Berliner Wohnung von einem Pflegedienst versorgt.

Der Sohn verwies mit Blick auf sein Einkommen darauf, dass er in einer nichtehelichen Familie lebe. Er habe mit seiner Partnerin eine Ende 2008 geborene, inzwischen siebenjährige gemeinsame Tochter, die seine Partnerin zusammen mit ihren beiden Söhnen aus ihrer geschiedenen Ehe betreue. Der Kläger beanspruchte deshalb einen über den eigenen Selbstbehalt von derzeit 1800 Euro hinausgehenden Familienselbstbehalt, wie er Verheirateten eingeräumt wird.

Dem BGH zufolge steht solch ein Selbstbehalt laut Gesetz nur Verheirateten zu. Es müsse aber berücksichtigt werden, wenn nicht verheiratete Eltern freiwillig zusammenleben, um einvernehmlich gemeinsame Kinder zu erziehen.

Wer in solchen Konstellationen für die Pflegekosten seiner Eltern aufkommen soll, könne deshalb neben dem eigenen Selbstbehalt von derzeit 1800 Euro monatlich auch noch einen Betreuungsunterhalt für seinen nicht erwerbstätigen Partner in Abzug bringen.

Die Karlsruher Richter betonten in ihrer Entscheidung durchaus, dass Ehe und nichteheliche Lebensgemeinschaft mit Recht anders behandelt werden. Denn wer sich das Ja-Wort gibt, übernimmt damit auch Unterhaltspflichten für den Partner. Ohne Trauschein haben nur Mütter kleiner Kinder unter drei Jahre Anspruch auf Unterhalt - es sei denn, sie haben auch danach gute Gründe, warum sie nicht wieder Vollzeit arbeiten können.

Die Richter stellen aber erstmals klar, dass unverheiratete Eltern - anders als Alleinerziehende - dabei frei wählen dürfen, wie sie sich ihr Familienleben vorstellen. Wenn beide Partner wollen, dass etwa die Frau noch ein paar Jahre zu Hause beim Kind bleibt, kann das als guter Grund gelten.

Das Grundsatzurteil bedeutet für den klagenden Sohn und seine Patchwork-Familie, dass er unter Umständen um die Pflegekosten herumkommt. Das Oberlandesgericht Nürnberg muss sich noch einmal anschauen, ob seine Partnerin nicht doch Anspruch auf Unterhalt und damit Vorrang hat - dabei muss das Gericht die neuen Richtlinien aus Karlsruhe beachten.

Die Deutsche Stiftung Patientenschutz wies im Zusammenhang mit dem Urteil darauf hin, dass die Pflegekosten für rund 450 000 Menschen zu 98,2 Prozent von den Kommunen und damit dem Steuerzahler getragen werden. Insgesamt werden hier 3,8 Milliarden Euro im Jahr gezahlt. Dagegen tragen die Angehörigen über den Elternunterhalt nur 68 Millionen Euro. AFP/nd

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal