A. Faltermann

Kalenderblatt

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»Nur wer die Sehnsucht kennt, weiß, was ich leide.« Diese anrührenden Worte schrieb Anna Faltermann 1955 in Karaganda an ihre Schwester Käthe, wohin sie 1937 verbannt worden war.

Die 1904 in Viernheim, einem Städtchen nahe Mannheim, geborene Anna Faltermann, gelernte Verkäuferin, arbeitete in einer Teigwarenfabrik in Weinheim und war seit 1922 gewerkschaftlich aktiv. Als sie 1927 bei den Betriebsratswahlen kandidierte, wurde sie entlassen. Sie schloss sich der KPD an. Hans Kippenberger rekrutierte die junge Frau für den von ihm geleiteten AM-Apparat. Bis 1933 half sie im Bezirk Baden Emil Pietzuch, Erwin Ries und Josef Hahn bei deren geheimer Tätigkeit. 1933 verließ sie ihre Heimat, ging nach Berlin und lernte in der Illegalität ihren späteren Lebensgefährten, den Weinheimer Kommunisten Philipp Wallendorf kennen. Wallendorf arbeitete ebenfalls für den AM-Apparat und gehörte zu den ersten Thälmann-Kurieren. Als eine Festnahme drohte, flüchteten sie über Prag und Paris nach Amsterdam und setzten dort ihre Arbeit gegen das NS-Regime fort. Im Juli 1935 erhielten sie Asyl in der Sowjetunion, wo sie unter den Parteinamen Hermann und Margarethe Sonntag in einer Lederfabrik in Ostaschkow, einer kleinen Stadt im Oblast Twer, arbeiteten. Im Februar 1937 erhielten sie die sowjetische Staatsbürgerschaft, zehn Monate später wurden sie vom NKWD festgenommen und in das Butyrka-Gefängnis nach Moskau gebracht. In der Zelle begegnete Anna Faltermann Margarete Buber-Neumann, der sie sagte: »Ich war doch immer eine gute Kommunistin, habe mein Leben lang in der Fabrik gearbeitet und niemals etwas Unrechtes getan.«

Philipp Wallendorf wurde wegen »Spionage« zu fünf Jahren verurteilt, überlebte und erreichte später seine Rehabilitierung. Anna Faltermann kam ohne Verfahren nach Karaganda, wo sie nach ihrer Entlassung aus dem Lager im Juni 1946 bleiben musste, in der Stadtgärtnerei, dann in einer Schuhfabrik und zuletzt als Straßenfegerin arbeitete. Nach dem XX. Parteitag der KPdSU wandte sie sich an das ZK der SED und bat um Einreise in die DDR, was ihr im Februar 1957 gelang. Ihre Parteimitgliedschaft wurde wieder hergestellt. Durch die lange Haftzeit gezeichnet, lebte sie zurückgezogen in Berlin-Pankow. Sie starb am 11. März 1972.

Am 20./ 21. Mai erinnert die Arbeitsgruppe Sowjetexil an ähnliche Schicksale: »Verurteilt, verfemt - vergessen?«, Franz-Mehring-Platz 1, 10243 Berlin, Fr. ab 15 Uhr, Sa. ab 10 Uhr Foto: GDW

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