Linke: »Ende Gelände« war friedlich - SPD: Das war Gewalt

Debatte über Protestaktionen gegen Kohleverstromung in der Lausitz: SPD-Minister spricht von »Rechtsbrechern« / Bündnis: Haben uns an gewaltfreien Aktionskonsens gehalten / Linkenpolitiker: Die Proteste waren friedlich

  • Lesedauer: 4 Min.

Berlin. Nach den mehrtägigen Protesten des Bündnisses »Ende Gelände« gegen den Kohleabbau in der Lausitz und die klimaschädliche Energiepolitik läuft der Nachschub für »Schwarze Pumpe« in Brandenburg wieder. »Die Kohlebahngleise zum Kraftwerk sind wieder frei«, sagte ein Sprecher des Konzerns Vattenfall. Das Kraftwerk könne wieder zum Normalbetrieb übergehen.

Zuvor hatten Tausende Menschen mit Blockaden, friedlichen Protestaktionen und zivilem Ungehorsam das Kraftwerk an den Rand einer Abschaltung gebracht. »Der Tagebau Welzow musste seinen Betrieb einstellen, das Kraftwerk Schwarze Pumpe seine Leistung um ca. 80 Prozent reduzieren«, bilanzierte das Bündnis »Ende Gelände«. Insgesamt seien über 3.500 Klimaaktivisten aus 13 Länden an den Aktionen beteiligt gewesen. Die internationale Klimabewegung habe »gezeigt, dass die dreckigsten Kraftwerke gestoppt werden können. Wir werden es wieder tun, bis zum Kohleausstieg«, so das Bündnis.

Nach dem Ende der großen Aktionen gegen Nachmittag hatten sich vereinzelt noch Aktivisten auf den Gleisen aufgehalten - sie erhielten von der Polizei einen Platzverweis. Schließlich räumten am Sonntagabend die Beamten die Schienen am Kraftwerk nahe Spremberg in der Lausitz. Auseinandersetzungen gab es dabei nicht.

Derweil hält die politische Debatte über die Aktionen an. SPD-Politiker wie Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke attackierten die Klimaaktivisten aus mehreren Ländern scharf. »Wenn Aktionen in Gewalt und Nötigung umschlagen, ist eine rote Linie erreicht.« Brandenburgs Wirtschaftsminister Albrecht Gerber diffamierte die Aktivisten als »aus ganz Europa anreisende Rechtsbrecher«. Gerber sagte: »Natürlich steht es jedermann frei, für Unsinn und Unfug zu demonstrieren. Aber es darf nicht sein, dass in unserem Land Gewalt und Selbstjustiz um sich greifen.«

Die Staatsanwaltschaft Cottbus sieht das anders. Wie die »Taz« berichtet, hieß es bei der Behörde mit Blick auf die Besetzung des Tagebaus, »die Tatbestandmäßigkeit des Hausfriedensbruchs« sei »wegen des Problemfeldes der Umfriedung nicht gegeben«. Weil also gar kein Zaun um die Grube gezogen ist, dürfe Vattenfall sich auch wegen des Betretens des Geländes nicht wundern. Bei der Polizei Cottbus hieß es zudem am Wochenende, »Nötigungen durch Eingriffe in die Betriebsabläufe des Unternehmens wegen des Besetzens in verschiedenster Form von Gleisanlagen oder Klettern auf Großgeräte sind ebenfalls nach erster Bewertung durch die Staatsanwaltschaft nicht strafrechtlich relevant« - der Grund: Vattenfall hatte den Betrieb vieler Anlagen ohnehin schon zuvor eingestellt.

Seitens des Bündnisses »Ende Gelände« hieß es, bei einer »Massenaktion zivilen Ungehorsams« müssten wenn nötig Zäune überwunden werden. »Uns ist vor allem wichtig, dass es keine Gewalt gegen Menschen gibt.« Die Protestaktionen und Blockaden seien »weitgehend ruhig, gut organisiert und besonnen« verlaufen. Bündnis-Sprecherin Hannah Eichberger erklärte, »der Aktionskonsens«, in dem Gewaltfreiheit verabredet worden war, sei allen bewusst gewesen »und wurde auch in angespannten Situationen und bei großer Übermüdung beeindruckend konsequent umgesetzt«. Die Auseinandersetzungen vor dem Kraftwerk, die in der Medienberichterstattung eine große Rolle spielten, nannte sie ein »kurzes Gerangel mit der Polizei«. Das Bündnis sei »gerade dabei, den genauen Hergang zu klären«.

Auch aus Sicht der Lausitzer Linkenabgeordneten Birgit Wöllert konnten sich die Parlamentarischen Beobachter »von der Friedlichkeit der bunten und internationalen Proteste« überzeugen. Die Aktivisten hätten den »angekündigten Aktionskonsens nichtgewaltsamer Blockaden von Produktionsanlagen, Infrastruktur und Tagebaugruben zum überwiegenden Teil durchsetzen können«, so Wöllert. Es sei darüber hinaus zu begrüßen, »dass sich die Landespolizei nicht zum Erfüllungsgehilfen des Kraftwerkbetreibers hat machen lassen« und »weitestgehend auf Deeskalation gesetzt« habe. Wöllert forderte gemeinsam mit ihrer Fraktionskollegin Eva Bulling-Schröter, dass dies auch bis zum Abschluss der Aktionen so bleibe. Das Bündnis »Ende Gelände« habe »den Finger in die Wunde der Energiewende gelegt«, sagte Bulling-Schröter. »Mit ihrem kreativen Protest und zivilen Ungehorsam haben tausende Aktivisten ein friedliches Zeichen für eine ökologische und nicht profitgetriebene Energieversorgung gesetzt.« Die Aktionen hätten »mit Erfolg aufgezeigt, dass ein nationales Kohleausstiegsgesetz und geregelter Strukturwandel dringend notwendig sind, um Beschäftigten, Unternehmen und Kohlerevieren eine Perspektive zu geben statt diese weiter gegen Klimaschutz und die Gesundheit der Menschen auszuspielen«.

Die Proteste in der Lausitz waren Teil der weltweiten Aktionsreihe »#breakfree2016«, die sich gegen die Verstromung fossiler Rohstoffe wie Kohle und Öl richtet. Braunkohle gilt als besonders klimaschädlich. Agenturen/nd

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