Berichte aus der Verbannung

Ausländische Journalisten kämpfen von Deutschland aus für Wandel in ihren Heimatländern

  • Sebastian Bähr
  • Lesedauer: 4 Min.

Journalistische Qualitätsarbeit ist unter den Bedingungen des Exils nur schwer zu gewährleisten. »Um professionell zu berichten, müssen wir auch die Regierung für ihre Sichtweise anrufen«, sagte jüngst der aus Aserbaidschan stammende Fernsehproduzent Emin Milli auf einer Veranstaltung des Forums für Medien und Entwicklung (FoME) über Exilmedien in Deutschland. »Die Regierung fragt uns dann, wo wir uns aufhalten, damit sie uns festnehmen oder umbringen kann. Wir rufen sie trotzdem an«, sagte Milli überzeugt. 2009 musste der frühere Blogger für 16 Monate ins Gefängnis, nach seiner zweiten Verhaftung floh er nach Berlin. In Neukölln betreibt er mit Gleichgesinnten seit 2013 den Fernsehsender Meydan TV, der nach eigenen Angaben rund ein Drittel der Bevölkerung Aserbaidschans erreicht. Doch auch in Deutschland gibt es keine vollkommene Sicherheit. Einer von Millis Mitstreitern stand aufgrund von Drohungen unter Polizeischutz, 2014 wurden Fenster der Redaktionsräume eingeworfen.

Repression ist noch das kleinste Problem der Exilanten. Die aus Weißrussland stammende Journalistin Maryia Sadouskaya-Komlach macht auf die Notwendigkeit von professioneller Hilfe aufmerksam. Gerade im Aufbauprozess sei juristische, finanzielle und journalistische Unterstützung von Bedeutung, da man sonst Schwierigkeiten mit den Behörden oder mit Fördergeldern bekommen kann. »Unsere Glaubwürdigkeit und unser Ruf stehen auf dem Spiel«, sagt Sadouskaya-Komlach, die für ein Radioprojekt arbeitet. Wichtig sei auch ein Netzwerk an Faktenprüfern, die im betreffenden Land erreichbar sind. »Wir bekommen einen anonymen Anruf, dass in einem Dorf gerade ein Massaker stattfindet. Es könnte aber auch der Geheimdienst sein, der uns nur testen will.«

Unabhängige Medienarbeit ist in autoritären Ländern oftmals eine Form des demokratischen Widerstandes. Die Grenze zwischen Journalismus und Aktivismus kann verschwimmen, gerade da im Exil die Medienarbeit unter meist prekären Bedingungen weitergeführt wird. »Am Anfang waren wir Aktivisten, dann Bürgerjournalisten und heute sind wir professionelle Journalisten«, berichtet der aus Syrien stammende Abdalaziz Alhamza, der das Medienprojekt »Raqqa is Slaughtered Silently« (Raqqa wird still abgeschlachtet) mitgegründet hat. Der Anspruch an ausgewogenes Arbeiten steht dabei oft in einem Spannungsverhältnis mit verschiedenen Erwartungen: »Für die Regierung ist Journalismus als solcher ein Verbrechen. Die Opposition kritisiert wiederum, dass wir den Diktator einen Präsidenten nennen«, so der aus Eritrea stammende Biniam Simon.

Die größte Herausforderung jedoch, so sind sich die Journalisten einig, ist die Finanzierung. Gerade vom deutschen Staat ist man enttäuscht. Stephan Steinlein, Staatssekretär des Auswärtigen Amtes, macht allerdings deutlich, dass eine Förderung an strenge Regeln geknüpft ist. »Erstens darf es keine einseitige politische Einmischung geben. Zweitens keinen Aufruf zu Extremismus, Terror und Gewalt.«

Verschiedene Medienprojekte würden zudem schon unterstützt werden, so unter anderem in der Ukraine, Lateinamerika und Nordafrika. Einen besonderen Stellenwert nehmen osteuropäische und baltische Länder ein. Diese Maßnahmen seien jedoch keine Gegenpropaganda angesichts der »Radikalisierung« durch russische Medien, heißt es aus dem Auswärtigen Amt. »Sie sollen vielmehr die vierte Gewalt in die Lage versetzen, ihre Rolle als Informations- und Diskussionsplattform auszufüllen«. Seit 2014 wurden rund elf Millionen Euro für »Informations-, Meinungs- und Medienvielfalt« in den Ländern der Östlichen Partnerschaft und Russland ausgegeben.

Emin Milli geht davon aus, dass die deutsche Unterstützung neben politischen auch wirtschaftlichen Motiven folgt. »Die Regierung hat bestimmte Geschäftsinteressen mit Aserbaidschan, was einer Förderung von uns im Wege steht«. Kritik kommt auch von Reporter ohne Grenzen. »Bis auf kleine Ausnahmen gibt es keine Sensibilität in der deutschen Regierung für Exilmedien«, sagte deren Geschäftsführer Christian Mihr gegenüber »nd«. »Fast ausnahmslos kommt Förderung aus skandinavischen Ländern und den USA«. In der Außen- und Entwicklungspolitik fordert er transparente Förderrichtlinien, die sich an demokratischen Zielen ausrichten. Ist die Gefahr der Propaganda nicht trotzdem gegeben? Zumindest Emin Milli verneint eine Gefahr durch politische Einmischung. »Jeder kann uns finanzieren, aber wenn jemand versucht, uns reinzureden, beenden wir die Zusammenarbeit«. Einzig dem Publikum obliege die Aufgabe, die Unabhängigkeit zu bewerten.

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