Großes Finale in der Provinz

Die Fußballerinnen des VfL Wolfsburg wollen wieder die Champions League gewinnen

  • Frank Hellmann, Mailand/ Reggio Emilia
  • Lesedauer: 3 Min.
Im italienischen Reggio Emilia kommt es an diesem Donnerstag zu einer Wiederholung des Champions League Finale der Frauen von London 2013 zwischen dem VfL Wolfsburg und Olympique Lyon.

Die Erlebnisse an der ruhmreichen Stamford Bridge von vor drei Jahren hat Ralf Kellermann noch im Detail parat. Wie seine Spielerinnen von der Heimstätte des FC Chelsea erstmals Fotos schossen. Wie sie staunten, als sich die Unterränge füllten. Wie sie spürten, dass Olympique Lyon nervös wurde und es doch kaum fassen konnten, als der 1:0-Triumph gegen den haushohen Favoriten perfekt war. »Diese Erinnerungen sind jetzt natürlich noch mal präsenter, zumal wir damals das Triple gewonnen haben«, erklärt der Trainer des VfL Wolfsburg, »jetzt ist ein Spiel unter völlig anderen Vorzeichen.« Denn eines werde nicht passieren: »Dass sie uns wieder unterschätzen.«

Im italienischen Reggio Emilia findet an diesem Donnerstag das vielleicht interessanteste Finale in der jungen Geschichte der Women’s Champions League an, wenn sich der deutsche Pokalsieger und Vizemeister der Frauenbundesliga mit dem Serienmeister der Division 1 Féminine duelliert. Die Dominanz ist in Frankreich fast schon erdrückend, denn die Verankerung im Verein sitzt in Lyon unter der Regie des spendablen Vereinspräsidenten Jean-Michel Aulas noch tiefer als in Wolfsburg: Das Budget für das Ensemble um die französischen Nationalspielerinnen wie Amandine Henry, Louisa Necib oder Elodie Thomis und Stars wie die Schwedin Lotta Schelin, die Norwegerin Ada Hegerberg und nicht zuletzt die aus Potsdam gekommene Pauline Bremer wird auf bis zu sieben Millionen Euro beziffert. Und zum Halbfinale gegen Paris strömten allein 22 000 Zuschauer in die für die Männer-EM erneuerte Arena.

»Die Mannschaft verkörpert auf allen Positionen absolute Weltklasse. Wir können uns auch nicht beschweren, aber Lyon stellt sicher das Aushängeschild des Frauenfußballs in der Welt dar«, räumt Kellermann ein. Genau wie die Französinnen 2011 und 2012, haben indes auch die »Wölfinnen« zweimal den Henkelpott geholt: Dem Gewinn 2013 in London folgte die Titelverteidigung 2014 in Lissabon. Nebenbei gewannen die Niedersachsen noch zwei nationale Meisterschaften und drei Pokalsiege in den vergangenen vier Jahren. Kein einziges Endspiel ging seitdem verloren. »Wir hoffen, dass wir unsere Titelgeilheit fortsetzen«, sagte Nationalstürmerin Alexandra Popp vor dem Abflug nach Bologna.

Um Mailand als eigentlichen Schauplatz der Champions-League-Inszenierung rund um das Madrider Stadtderby Real gegen Atletico im San Siro bei den Männern macht der VfL-Tross gezwungenermaßen einen großen Bogen. Die nicht sonderlich sehenswerte Industriestadt Reggio Emilia liegt mit 175.000 Einwohnern am südlichen Rand der Poebene fast 160 Kilometer entfernt. »Mit Mailand hat dieses Finale überhaupt nichts zu tun«, kritisiert Kellermann. Immerhin sei die Infrastruktur in dem 20.000 Zuschauer fassendem Stadio Citta del Tricolore, wo ansonsten der Erstligist Sassuolo Calcio spielt, in Ordnung.

Aber dass sich nicht viele für die Entscheidung in der weiblichen Königsklasse interessieren, deutete Carlo Tavecchio, Präsident des italienischen Fußballverbandes, bereits an: »Es gibt nur 20.000 registrierte Frauenfußballerinnen in Italien. Das ist nicht nur ein sportliches Problem, sondern auch ein gesellschaftliches Problem« Gut möglich also, dass Bundestrainerin Silvia Neid und DFB-Präsident Reinhard Grindel das Finale in einem wenig angemessenen Ambiente erleben werden. »Der französische Frauenfußball hat uns nicht überholt. Auf dem Papier sind beide Mannschaften gleichstark«, glaubt Neid, »mit mehr als elf Nationalspielerinnen können die auch nicht auflaufen.« Auf ihre für die Olympia-Mission fest eingeplanten Leistungsträgerinnen wie Mittelfeldspielerin Lena Goeßling oder Torhüterin Almuth Schult wird es ebenso ankommen wie auf die aus Lyon gewechselten Lara Dickenmann oder Elise Bussaglia.

Wie ignorant die Dachorganisation indes mit solchen Darstellerinnen umgeht, zeigt die Tatsache, dass die UEFA die 30 Tickets für das Männerendspiel am Samstag beiden Frauendelegationen inzwischen gestrichen hat. Ein Erlebnis wie 2013, als der damalige Sieger noch im Wembley-Stadion das deutsche Finale zwischen Bayern und Dortmund genoss, ist diesmal nicht drin. »Wir wären sonst gerne noch geblieben«, sagt Kellermann, »so fliegen wir Freitag zurück.« Immerhin sind nach der Ankunft in der Autostadt ein Empfang und ein Eintrag ins Goldene Buch geplant - ganz egal wie die Neuauflage von 2013 ausgeht.

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