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Schwedens Dörfer spüren den Frühling

Im skandinavischen Land sorgt sich das Parlament des ländlichen Raums um den Ausbau des schnellen Internets

  • Bengt Arvidsson, Stockholm
  • Lesedauer: 3 Min.
Seit Freitag tagt das schwedische Dorfparlament auf der Insel Gotland. Windenergie, die Informatikbranche und eine großzügige Regionalpolitik bringen eine neue Dynamik auf das flache Land.

Schwedens ländliche Regionen haben ihr ganz eigenes Parlament, den »Landsbygs Riksdag«. Drei Tage lang tagt dieser seit Freitag auf der Insel Gotland unter dem Motto »In Richtung ausgewogene Nation«. Die ländliche Interessensvertretung wurde erstmals 1989 abgehalten und kommt seit 1995 alle zwei Jahre jeweils in einer anderen ländliche Region Schwedens zusammen. Anfangs wurde er noch von der hohen Politik in der Hauptstadt Stockholm belächelt. In der Wirtschaftskrise der 1990er Jahre, angesichts des Kahlschlags der staatlichen Fördermittel für das Land und der Abwanderung junger Menschen in die Großstädte begann sich die Bewegung zu formieren.

Das Provinzparlament verfügt über keine formelle Macht. Inzwischen genießt es als Stimme des Landes aber viel Respekt und eine ordentliche Portion informeller Macht. Hinter dem Parlament steckt die Lobbyorganisation »Ganz Schweden soll leben«. Diese Organisation hat inzwischen rund 4700 Dorfaktionsgruppen unter ihrem Dach mit steigender Tendenz. Rund 100 000 Aktivisten sind involviert und beeinflussen das Leben von drei Millionen Schweden, die im ländlichen Raum leben. Das ist nicht wenig, bei insgesamt rund zehn Millionen Einwohnern. Die Dorfbewegung wird mit rund 10 Millionen Kronen (1,1 Millionen Euro) jährlich vom Staat gefördert.

»Schweden ist groß und dünn besiedelt, hier wohnen noch viel mehr Menschen auf dem abgelegenen Land. Wir geben ihnen Einfluss«, sagt Ulrik Strömberg vom Verband. »Schweden und Finnland sind die Länder, die mit der Organisation der Interessen der ländlichen Regionen frühzeitig angefangen haben. Ich empfehle auch den mitteleuropäischen Dörfern, ab und zu ein eigenes Parlament abzuhalten. Das verschafft wirklich Gehör«, sagt er. Der Verband koordiniert den Einsatz für strukturschwache Regionen und macht Druck auf die Regierung.

Beim dreitägigen Parlament geht es darum, Erfahrungen auszutauschen und gemeinsam eine Agenda für die wichtigsten Fragen der kommenden zwei Jahre auszuarbeiten. So will der Verband Internet-Glasfaserverbindungen mit 100 Megabit pro Sekunde auch in die entlegensten Orte des Königreichs bringen. Oft sind solche Projekte für die Privatwirtschaft nicht lohnend genug.

Das Internet ist auch einer der größten Hoffnungsträger für die ländliche Region. Es ist heute nicht mehr so wichtig, wo man arbeitet. In den kommenden Jahren will der Verband 500 Servicepunkte auf dem Lande errichten, die ähnlichen Service wie in einer Großstadt bieten. Da soll es Lebensmittelgeschäfte geben, die etwa unbemannt über Smartphones nutzbar und so auch wirtschaftlich rentabel sind. Ein Beispiel gibt es schon im Örtchen Viken. Zudem soll es an den Servicepunkten auch Computerterminals geben, über die man seinen Arzt, Psychologen oder andere gesellschaftliche Dienste über Videoverbindung in Anspruch nehmen kann. »Neben guten Verkehrsanbindungen und gutem Internet fokussieren wir vor allem auch auf guten Gesellschaftsservice, ob es nun um Schulen, Kinder-, Alten oder Gesundheitsversorgung geht«, sagt Strömberg.

Auch in den anderen nordischen Ländern und in den Niederlanden gibt es Dorfparlamente, mit denen die Schweden eng vernetzt sind. Im letzten Jahr haben die Schweden zudem das erste europäische Dorfparlament im österreichischen Schärding mitorganisiert. 2017 soll ein weiteres tagen. Wo, ist noch unklar. »So können wir die Interessen des ländlichen Raumes hoffentlich auch in die EU tragen«, sagt Strömberg.

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