«Fiderallala, fiderallala...»

Thüringer Alltag: Überfall von «Sportfans» und Singsang im «Löwen»

  • René Heilig
  • Lesedauer: 2 Min.

Die Erfahrungen von Antifaschisten in Kahla sind keine Besonderheit. In Thüringen finden sich viele Orte, in denen Neonazis ungeniert Demokraten drangsalieren. Mitte der vergangenen Woche durchsuchten Beamte des Landeskriminalamtes (LKA) und Bereitschaftspolizisten Objekte in Erfurt und im Landkreis Saalfeld-Rudolstadt. Grund: Landfriedensbruch, gefährliche Körperverletzung, Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen, Sachbeschädigung ... Es ging, so schreibt das LKA wertfrei, um die Konfrontation von «zwei Personengruppen am 5. Mai 2016 (Himmelfahrt) im Autonomen Jugendzentrum (AJZ) in Erfurt». Deren Ursache sei «in differenten politischen Einstellungen zu suchen».

Was war geschehen? Vermutlich neun Männer im Alter zwischen 24 bis 32 Jahren hatten Besucher des linken Jugendzentrums überfallen, mit Flaschen und Steinen geworfen sowie Reizgas versprüht. Die Angreifer, so die Polizei, seien «in der Vergangenheit allgemeinpolizeilich und mit Straftaten im Bereich der Politisch motivierten Kriminalität »rechts« und als »Gewalttäter Sport« in Erscheinung getreten.

Zum Thüringer Alltag gehören auch Festivitäten wie die für den vergangenen Freitag in Kloster Veßra angekündigte. Die Gemeinde liegt im Landkreis Hildburghausen, also im Süden Thüringens. Dort gibt es ein Gasthaus »Goldener Löwe«. Das gehört Tommy Frenck, einem Neonazi. Der Kneipier - darauf verweisen Antifaschisten vor Ort - hat erst Anfang Mai in Hildburghausen ein Open-Air-Konzert veranstaltet, zu dem rund 3500 Neonazis kamen. Manche sogar aus dem Ausland.

Nun aber lud er zu einem Abend mit dem Liedermacher »Reichstrunkenbold« ein. Klingt harmlos, der Typ ist es aber ganz und gar nicht. Es handelt sich um Philip Tschentscher. Man begegnete ihm unter anderem bei Nachforschungen zum Blood&Honour-Kulturverein »Objekt 21« in der österreichischen Gemeinde Desselbrunn. 150 Nazis hatten sich da zusammengerottet, bei einer Durchsuchung holte die Polizei diverse Waffen aus Verstecken.

Im Januar 2014 mit einer Waffe erwischt, war Tschentscher zu einer dreijährigen Haftstrafe verurteilt worden. Und nun - vorzeitig raus aus dem »Häfen« - singt er wieder seine Lieder: »In Buchenwald, in Buchenwald, da wird kein Jude richtig alt. Fiderallala, fiderallala, fiderallalala«.

Tschentscher behauptete im April vor dem hessischen NSU-Untersuchungsausschuss, er mache reine »Unterhaltungsmusik«. Klar, er habe lange Zeit auf dem Hof des verstorbenen Manfred Roeder gelebt. Der war ein Urgestein des deutschen Rechtsterrorismus - für Tschentscher aber nur ein »guter Freund«. Über Terroraktivitäten wisse er so rein gar nichts. Er habe lediglich Schulungen in »Heimatkunde« abgehalten, es sei schließlich wichtig, dass man über die eigene Geschichte und die »Ahnen« Bescheid wisse. Fiderallala ...

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