Südossetien will nach Russland ziehen

Referendum in Georgiens abtrünniger Republik für 2017 angekündigt / Moskau zeigt große Zurückhaltung

  • Irina Wolkowa, Moskau
  • Lesedauer: 3 Min.
Das Beispiel der Krim beflügelt nun die Kaukasusrepublik Südossetien - sie will im kommenden Jahr in einem Referendum über den Beitritt zu Russland entscheiden.

Erteilen Sie dem Präsidenten die Vollmacht, die Russische Föderation in einem offiziellen Antrag um Beitritt der Republik zu ersuchen? So in etwa soll die Frage lauten, über die die Bürger von Georgiens abtrünniger Republik Südossetien im April 2017 bei einem Volksentscheid abstimmen sollen. Ursprünglich sollte das Referendum bereits im August stattfinden. Doch nun folgte Republikchef Leonid Tibilow einer Empfehlung des Politischen Rates, dem Vertreter der Legislative und Exekutive angehören, das Volk erst nach den für März geplanten Präsidentenwahlen in der Region zu befragen. Ein frisch gewählter oder erneut im Amt bestätigter Präsident sei anders demokratisch legitimiert als ein scheidender, lautet die Begründung. Denn die Materie ist extrem heikel und könnte, wie selbst staatsnahe Beobachter in Moskau fürchten, zu neuen politischen Verwerfungen im Südkaukasus führen.

Südossetien, wo knapp 52 000 Menschen leben, war zu Sowjetzeiten Teil Georgiens. Es sah seine Autonomie aber zunehmend von Tiflis verletzt und spaltete sich 1992 nach blutigen Kämpfen ab. Bereits damals entschieden sich 99,84 Prozent für eine Wiedervereinigung mit der russischen Teilrepublik Nordossetien, wo die Mehrheit der Volksgruppe lebt. Offiziell nahm Moskau das Votum nicht zur Kenntnis. Russland unterstützte die Separatisten jedoch militärisch wie finanziell und verlieh den Bürgern im Schnellgang die russische Staatsangehörigkeit.

Mit dem Schutz russischer Bürger begründete Moskau im August 2008 dann den Einmarsch. In der Nacht zuvor hatten georgische Truppen die Grenze überschritten, um die Ausreißer mit Gewalt heimzuholen. Tbilissi verlor den Fünf-Tage-Krieg. Südossetien und das ebenfalls abtrünnige Abchasien erklärten sich für unabhängig, wurden aber nur von Moskau, Venezuela und Nicaragua sowie dem Südsee-Atoll Vanuatu anerkannt. Sogar die pro-russischen Ex-Sowjetrepubliken mochten nicht. Der Westen betrachtet beide Regionen weiterhin als Teile Georgiens. De facto sind sie derzeit russisches Protektorat, wo rund 9000 russische Soldaten stehen. Moskau finanziert ihren Haushalt und pumpte vor allem in das von zwei Kriegen verwüstete und strukturschwache Südossetien Milliarden für Wiederaufbau und Entwicklung.

Zwar unterzeichneten Russland und Südossetien im März 2015 ein Abkommen zu Kooperation und Integration, das die Schaffung eines gemeinsamen Zoll- und Verteidigungsraumes vorsieht. Doch der Schutz geht den Separatisten nicht weit genug. Die politischen Realitäten, fürchtet Republikchef Tibilow, seien derzeit so, dass ein kleines Land auf Dauer nicht überleben könne. Anders als 1992 will Südossetien sich diesmal nicht mit dem Norden wiedervereinigen, sondern der Russischen Föderation als eigenständiges Subjekt beitreten. Nach dem Beispiel der Krim und mit dem gleichem Tempo. Zwischen Referendum und Beitritt lagen im März 2014 ganze drei Tage.

Doch Moskau hält sich bedeckt. Präsident Wladimir Putin ließ sich dazu nach seiner Bürgersprechstunde im April von südossetischen Journalisten nur die Aussage entlocken, das Russland sich nicht gegen ein Referendum quer legen könne. Bei der Prüfung des Beitrittsgesuchs, glauben Experten, werde man sich daher sehr viel Zeit lassen und am Ende den Daumen senken. Noch liege die Integration der Krim Russland schwer im Magen und dem Steuerzahler auf der Tasche. Auch drohe neuer Ärger mit dem Westen und vor allem mit Georgien. Die mit der derzeitigen Regierung in Tbilissi mühsam ausgehandelte Rückkehr zur Normalität - Wiederaufnahme der gekappten Verkehrsverbindungen und Abschaffung des Einfuhrstopps für georgische Weine und Agrarerzeugnisse - wäre Makulatur, heimlicher Sieger der abgewählte Aggressor: Micheil Saakaschwili. Der derzeitige Gouverneur des ukrainischen Gebietes Odessa will bei den georgischen Präsidentenwahlen 2018 erneut antreten.

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