In jedem Apfel steckt Gesundheit

Krankenkasse setzt bei biologisch hergestellten Arzneien auf die kostengünstige Version

  • Silvia Ottow
  • Lesedauer: 3 Min.
35 Milliarden Euro im Jahr gaben die gesetzlichen Kassen zuletzt für Arzneien aus. Zu viel, hat eine Studie im Auftrag der Barmer GEK ergeben. Sie sieht Einsparpotenzial, das ebenfalls in die Milliarden geht.

Geht es um Arzneimittel, ist man schnell bei Milliardensummen. Besonders für biologisch hergestellte Medikamente steigen die Ausgaben ständig. Doch gerade in diesem Bereich könnte man durch eine bessere Auswahl enorm sparen, hat eine Untersuchung herausgefunden, die eine der größten gesetzlichen Krankenkassen von Wissenschaftlern der Universität Saarbrücken und einer Forschergruppe aus Köln anfertigen ließ.

Biologika unterscheiden sich von konventionellen, chemisch synthetisierten Arzneimitteln durch die Herstellung. Sie werden zum größten Teil in aufwendigen hochkomplexen Prozessen in Mikroorganismen hergestellt und haben eine bessere Behandlung bei einigen Erkrankungen wie Krebs, Hepatitis oder chronische Darmbeschwerden ermöglicht. Dabei gleichen sie sich nie komplett, sondern sind sich immer nur ähnlich - etwa so wie die Äpfel einer Sorte am Baum. In Deutschland sind derzeit 151 gentechnisch hergestellte Wirkstoffe in 195 Arzneimitteln zugelassen. Eines der bekanntesten Präparate ist Sovaldi gegen Hepatitis C.

Eine Jahrestherapie mit Biologika kann in einigen Fällen allerdings schon mal 280 000 Euro im Jahr kosten, wenn der Arzt das Originalpräparat verschreibt. Er kann aber auch das preiswerte Nachahmerprodukt wählen, ein sogenanntes Biosimilar. Es handelt sich dabei um eine Version des Originals, die nach dem Ablauf des Patentschutzes von anderen Pharmafirmen hergestellt werden darf und die auf ihre Wirksamkeit und Verträglichkeit überprüft worden ist.

Durch solche Biosimilars könnten allein in den kommenden fünf Jahren mehr als vier Milliarden Euro in der gesetzlichen Krankenversicherung gespart werden, wie Barmer-Chef Christoph Straub erklärte. Bislang seien Biosimilars »ein Nischenprodukt gewesen, heute stehen sie aber an der Schwelle zum Massenprodukt«. In den nächsten fünf Jahren laufen die Patente für einige der umsatzstärksten Biologika aus und könnten durch die preiswerteren Nachahmerpräparate ersetzt werden. Ein Biosimilar ist im Schnitt 25 Prozent günstiger als das Originalpräparat. Diesen »Schatz gilt es zu heben«, forderte Straub. Die Nachahmerprodukte sollten deshalb endlich eine größere Rolle im Verordnungsgeschehen spielen. Dabei setzt Straub, der selbst Arzt ist, ausdrücklich auf eine bessere Information der Mediziner und entsprechende Vereinbarungen, nicht aber auf politischen Druck oder Gesetzesänderungen. Er verwies auf das Beispiel der Region Westfalen-Lippe - hier haben Kassenärzte und Barmer GEK ein spezielles Programm für Patienten mit Darmerkrankungen initiiert, die besonders häufig mit Biopharmaka behandelt werden. Die Quote des Einsatzes von Biosimilars stieg auf 50 Prozent und die Erkrankten wurden gleichzeitig besser betreut.

Doch das ist nicht überall so. Während Ärzte in Bremen in 54,2 Prozent der Fälle Biosimilars verordnen, sind es im Saarland nur 27,4 Prozent, in Mecklenburg-Vorpommern bleiben bei einem Biomedikament die preiswerteren und genauso wirkungsvollen Ersatzäpfelchen gleich ganz am Baum. Medizinisch lasse sich das nicht erklären, sagt Christoph Straub. Reportautor Daniel Grandt vom Klinikum Saarbrücken vermutet, dass es an der Informationspolitik der Pharmahersteller liegt, wenn Ärzte Biosimilars selten verordnen. Die befürchteten offenbar »schwindende Umsätze bei ihren teureren Originalpräparaten«.

Dem Report zufolge stieg der Anteil der Versicherten, die ein biotechnologisch hergestelltes Arzneimittel erhielten, zwischen 2010 und 2015 im ambulanten Sektor von 3,1 auf vier Prozent, die Ausgaben stiegen um mehr als 40 Prozent auf 1,2 Milliarden Euro. Biologika verursachen damit mehr als ein Fünftel der gesamten Arzneimittelkosten der Barmer. Sie und die kostengünstigen Biosimilars werden sowohl die Krankenkassen als auch Ärzte und Patienten in Zukunft verstärkt beschäftigen. Kommentar Seite 4

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