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Drei Säulen stützen Rente nicht

Volkssolidarität fordert Neuorientierung und präsentiert eigene Vorschläge zu verlässlicher Alterssicherung

  • Fabian Lambeck
  • Lesedauer: 3 Min.

Es gibt Momente, da fragt man sich als Journalist: «Warum?». Warum etwa kamen keine anderen Medienvertreter zur Pressekonferenz von Ostdeutschlands größtem Sozialverband? Sind es ideologische Bedenken, die MDR- und RBB-Redakteure sowie die Korrespondenten ostdeutscher Zeitungen vom Besuch abhalten? Schließlich steht der Verband in dem Ruf, mit der Linkspartei besonders gut zu können. Am Thema der Pressekonferenz kann es nicht gelegen haben, dass der «nd»-Journalist am Freitag der einzige Vertreter seiner Zunft war. Denn die Volkssolidarität stellte ihre «Rentenpolitischen Leitlinien» vor, die die Bundesdelegiertenversammlung am 30. September beschlossen hatte. Verbandspräsident Wolfram Friedersdorff betonte am Freitag, es gehe um eine «Neuorientierung in der Rentenpolitik».

«Die Lebensstandardsicherung in der gesetzlichen Rentenversicherung» muss wieder in den Vordergrund rücken, so der Verband. Als erster Schritt müsse die «laufende Absenkung des Leistungsniveaus in der gesetzlichen Rente gestoppt werden», so Friedersdorff. Lag das Niveau vor den rot-grünen Reformen im Jahre 2000 noch bei 52,9 Prozent, seien es nunmehr nur noch 47,9 Prozent. Das Bundesarbeitsministerium selbst erwarte langfristig ein Absinken auf 41,6 Prozent.

In einem zweiten Schritt sollte das Leistungsniveau «mittelfristig wieder auf 50 Prozent angehoben werden», so der Präsident. Langfristig müssten aber 53 Prozent angestrebt werden, «wenn die gesetzliche Rente dauerhaft attraktiv sein soll».

Das Drei-Säulen-Modell aus gesetzlicher Rente sowie betrieblicher und privater Vorsorge habe weitgehend versagt, stellte er fest. Sein Verband setze sich außerdem für eine bessere soziale Absicherung bei Erwerbsminderung ein, ebenso für «Regelungen, die zumindest teilweise die Gefahr von Altersarmut von Niedrigverdienern abfangen». Und schließlich fordert der Verband eine Umsetzung des Versprechens im Koalitionsvertrag, bis 2020 eine «vollständige Angleichung» des Rentenwerts Ost an den aktuellen Rentenwert der alten Länder vorzunehmen«, betonte Friedersdorff. »Nach dann 30 Jahren staatlicher Einheit ist das überfällig.«

Das alles kostet Geld, das auch über höhere Beiträge reinkommen soll, wie der sozialpolitische Referent des Verbandes, Alfred Spieler, erläuterte. Voraussetzung sei aber, dass der Bund die falsche Finanzierung gesamtgesellschaftlicher Aufgaben durch die Rentenkasse beende. Etwa die Mütterrente, die die Versicherung alljährlich 6,6 Milliarden Euro koste und aus Steuermitteln finanziert gehöre. Zudem sollten die 2011 gestrichenen Rentenbeiträge für Langzeitarbeitslose wieder abgeführt werden. Der Bundeszuschuss, der allein zwischen 2013 und 2016 um 3,5 Milliarden Euro gekürzt worden sei, müsse wieder vollumfänglich gezahlt werden.

Spieler kritisierte, dass der Staat die gescheiterte Riester-Rente immer noch mit drei Milliarden Euro pro Jahr fördere. Diese Förderung müsse für Neuverträge gestrichen werden. Die dadurch freiwerdenden Mittel sollten in die gesetzliche Rente fließen.

Die Leitlinien enthalten weitere bemerkenswerte Reformvorschläge. So will der Verband eine Teilabkehr vom Äquivalenzprinzip. Dieses besagt, dass sich die Höhe der Rente auch nach der Höhe der getätigten Einzahlungen bemisst. Die Volkssolidarität plädiert nun dafür, die Beitragsbemessungsgrenze für Besserverdiener abzuschaffen. Diese zahlen ab einer Gehaltsgrenze, in Ostdeutschland 5700 Euro pro Monat, keine Beiträge. »Es ist schwer einzusehen, warum höhere Verdienste quasi versicherungsfrei sein sollen«, so Spieler. Damit dies nicht zu unangemessen hoher Rente führt, müsse der Gesetzgeber hier vom Äquivalenzprinzip abweichen. Das eingezahlte Geld soll also allen zugute kommen. Klingt verwegen, wird aber im Schweizer Rentensystem längst so gehandhabt.

Parallel zur am letzten Freitag im Bundestag beschlossenen Flexirente sollen Rentner nach Auffassung der Volkssolidarität künftig auch durch die Pflege von Angehörigen zusätzliche Rentenansprüche erwerben können. Spieler glaubt, »dass dieser Vorschlag durchaus eine Chance hat, verwirklich zu werden«. Dazu bedürfte es einer öffentlichen Debatte. Auch aus diesem Grund ist bedauerlich, dass sich am Freitag keine weiteren Medienvertreter eingefunden hatten.

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