Der schwule Heidekönig und seine Mission

Niedersachsen: Thorsten I. wirbt als 15. Amtsinhaber für Toleranz und Akzeptanz

  • Hagen Jung
  • Lesedauer: 3 Min.

Neben lesbischen Polizeiangehörigen, bärtigen Kerlen der »Nordbären«, Sängern der »Schola Cantorosa« und vielen weiteren Gruppen ist bei der CSD-Parade in Hamburg am Samstag auch eine Majestät zu bewundern: Thorsten I., der schwule Heidekönig aus Lüneburg. Der 21-jährige Student ist der 15. Träger von Krone und Schärpe, welche die Würde des jeweiligen Amtsinhabers dokumentieren.

Thorsten Haß, so der bürgerliche Name des Throninhabers, wird voraussichtlich zusammen mit seinem Adjutanten Janek und »Gefolge« in der Elbmetropole erscheinen, wo rund 150 000 Zuschauer zum Zug durch die Stadt erwartet werden. Etwa 15 000 Teilnehmerinnen und Teilnehmer bilden diesen Höhepunkt der »Pride Week«, einer zehntägigen Veranstaltungsreihe unter dem Motto: »Kommt mit uns - Diskriminierung ist keine Alternative«.

Komm mit Thorsten I. nach Hamburg! Diesem Ruf werden wohl vor allem Freunde der Initiative »Luenegay.de« folgen. Diese Gemeinschaft, sie hatte die Wahl des Heidekönigs 2017 ausgerichtet, versteht sich als »das queere Infoportal für Lüneburg, Uelzen, die Heide und das Wendland«. Als ausgerechnet aus diesen als konservativ geltenden Regionen der erste schwule Heidekönig vor Jahren als Pendant zu den vielen Heideköniginnen hervorging, gab es auch Skepsis in der Gay-Community. Wie wird so ein »Amt« auf dem Land ankommen? Dort, wo immer noch mit Vorurteilen gegenüber Schwulen, Lesben, Bi- und Transsexuellen zu rechnen ist? Leo I. war im Jahr 2000 der erste schwule Heidekönig, und zu seinen ersten Amtshandlungen zählte in Lüneburg die Gründung eines Stammtischs für all jene, die anders als heterosexuell fühlen und leben. Dass dieses »Andere« letztlich etwas ganz Normales ist - das zu vermitteln, sahen Leo und seine Nachfolger und sieht nun Thorsten I. als eine der wichtigsten »Königsaufgaben« an.

Denn noch immer wird »anders« Lebenden und Liebenden mancherorts mit Distanz und Ablehnung begegnet, weiß er. Und deshalb gingen und gehen die Heidekönige bewusst heraus aus der Wohlfühlatmosphäre von »Regenbogenevents«, besuchten und besuchen nicht allein CSD- und andere szenetypische Veranstaltungen, sondern auch ganz und gar »bürgerliche« Anlässe.

Selbst bei den hier und da als stockkonservativ angesehenen Schützenvereinen - einige wollen noch immer keine Frauen aufnehmen - war der aktuelle schwule Heidekönig gern gesehen, beispielsweise in der erzkatholischen Bischofsstadt Hildesheim und beim weltgrößten Schützenfest überhaupt, in Hannover. Dort präsentierte sich Thorsten I. im zehn Kilometer langen Marsch durch die Landeshauptstadt vor einem Fanfarenzug in den Reihen der Aidshilfe Niedersachsen.

Der Arbeit der Aidshilfe fühlen sich die Heidekönige seit jeher verbunden, zählen doch auch sie die Aufklärung in Sachen HIV zu ihren Aufgaben - und kommen dabei vor allem bei jungen Menschen gut an. Einer von Thorstens Amtsvorgängern, Pierre I., informierte beispielsweise im Rahmen von Aids-Aktionstagen Schülerinnen und Schüler über die Immunschwäche und vermittelte den jungen Menschen, dass die Krankheit durchaus nicht nur homosexuell lebende Menschen treffen kann.

Wer Thorsten I. am Samstag beim CSD in Hamburg erleben möchte, hat dazu ab 12 Uhr Gelegenheit. Dann beginnt die Parade traditionell im Stadtteil St. Georg in der Langen Reihe.

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