Jenseits des Friedens

Konferenz zum Nahost-Konflikt / Ex-Botschafter Primor fordert stärkeres Engagement Europas

  • Susann Witt-Stahl, Hamburg
  • Lesedauer: 3 Min.
Israel feiert in diesem Jahr den 60. Jahrestag seiner Staatsgründung. Ein trauriger Geburtstag: Ein stabiler Frieden mit den Palästinensern, der Israels Existenz und Sicherheit garantiert, scheint weiterhin fern. Der Nahost-Konflikt könnte sogar zu einem geopolitischen GAU wuchern.

Renommierte israelische Historiker wie Tom Segev sprechen davon, dass der Nahost-Konflikt in naher Zukunft nicht lösbar ist, sondern nur noch kontrolliert gehandhabt werden kann.

Was hat dazu geführt, dass Friedensbemühungen gescheitert, militärische Gewalt in Israel und Palästina zum Dauerzustand geworden sind? Welche Rolle spielen die USA, Europa und arabische Welt? Was könnte einen Friedensprozess wieder in Gang zu bringen?

Über diese und weitere Fragen haben in dieser Woche auf Einladung der Zeit-Stiftung Experten in Hamburg debattiert. Einen Fokus richtete die Konferenz auf die Innenpolitik der USA. Der amerikanische Historiker Fritz Stern sprach in seinem Vortrag von einer »geteilten und polarisierten Nation«, deren politische Kultur seit dem 11. September von einem »Klima der Angst und einem neuen Autoritarismus« dominiert werde. »Aber wir werden bald einen neuen Präsidenten haben: weniger ideologisch und arrogant, intelligenter und pragmatischer«, frohlockte der 81-Jährige.

Das Ende der Bush-Ära wird nicht nur von Stern herbeigesehnt: Der kürzlich von George W. Bush gestartete Versuch, den Friedens-prozess im Nahen Osten wiederaufzunehmen, habe mehr dem Ziel gegolten, Bündnispartner für eine Koalition gegen Iran als eine gerechte Friedenslösung für Israel und Palästina zu finden, waren sich die Konferenzteilnehmer weitgehend einig. Der Irak-Krieg habe die Region empfindlich destabilisiert – Anlass für den ehemaligen israelischen Botschafter Avi Primor ein stärkeres Engagement Europas, wenn nötig auch eine Intervention mit Friedenstruppen zu fordern: »Das ist nicht bloß ein Akt der Wohltätigkeit, sondern längst ein ureigenes europäisches Interesse.«

Dafür bedarf es aber eines starken Europa. »Wir vermissen ein Europa, das nicht je nach Bedarf ständig seine Farbe wechselt«, kritisierte die israelische Historikerin Fania Oz-Salzberger. Ex-Außenminister Joschka Fischer räumte Fehler ein: »Die europäischen Staaten haben es versäumt, eine einheitliche und konsistente Position zu entwickeln.«

Ein wesentlicher Grund für den israelischen Politikwissenschafter Shlomo Avineri, dafür zu plädieren, dass Israelis und Palästinenser auf ihre eigenen Kräfte vertrauen. Beide Kollektive dürften nicht warten, bis sie sich kulturell angenähert hätten – das sei bloß ein »Alibi«, um nicht an den Verhandlungstisch zurückzukehren. »Unser Frieden muss nicht auf Liebe basieren«, ergänzte Majid Al-Haj von palästinensischer Seite, »sondern, wie eine traditionelle arabische Hochzeit, auf gemeinsamen Interessen und der Einsicht, dass es keine Alternative gibt.«

Deutliche Worte fand Ron Pun-dak, Direktor des Peres Center for Peace in Tel Aviv, für die Politik seiner Regierung: »Israel wird ein modernes Sparta sein, wenn es weiterhin keinen palästinensischen Staat zulässt.«

Pundak gehört zu den Architekten des Osloer Friedensabkommens von 1993. Er widersprach der vorwiegend vom rechten Lager in seinem Land vertretenen Auffassung, dass es keine verlässlichen Ansprechpartner auf palästinensischer Seite und daher nur unilaterale Lösungen gebe. »Die Mehrheit der Palästinenser steht uns viel näher als den Jihadisten«, so Pundak.

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