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Ost-Zeitung mit West-Brille?

Gemeinsamer Mantel für Lübecker Nachrichten und Ostsee-Zeitung

  • Velten Schäfer, Schwerin
  • Lesedauer: 3 Min.
Die Zeitungslandschaft in Mecklenburg-Vorpommern steht vor einschneidenden Veränderungen. Rostocker »Ostseezeitung« und »Lübecker Nachrichten« bekommen einen gemeinsamen Mantelteil. Droht langfristig die Einheitszeitung im Norden und Nordosten?

Nach ND-Informationen wird der Mantelteil der Rostocker »Ostsee-Zeitung« (OZ) nun definitiv nach Lübeck verlegt. Bei den »Lübecker Nachrichten« (LN) soll ein gemeinsamer »Mantel-Desk« entstehen, der die Seiten zwei und drei, den überregionalen Wirtschafts- und Kulturteil sowie die vermischte Seite »Aus aller Welt« der OZ produzieren soll. Nur in Ausnahmefällen soll zum Beispiel eine regionalspezifische Seite drei in Rostock hergestellt werden.

Chefs sollen über Eigenständigkeit wachen
Zwischen zehn und zwölf Redakteure der OZ sollen nun »einvernehmlich« nach Lübeck wechseln, mittelfristig werde ein Umzug erwartet. Noch unklar sei dagegen der künftige Standort von Redaktionsteilen, die Service-Seiten wie Auto/Reisen, spezielle Projekte wie »Zeitung in der Schule«, Ratgeber, Leserbriefe und den Wetterbericht produzieren. Die Eigenständigkeit beider Titel solle durch eine Klausel im Arbeitsvertrag der Chefredakteure gewährleistet werden.

Mittelfristig werde auch über eine Fusion der Blätter nachgedacht, hieß es weiter. Die neue Mantelredaktion soll ferner auch andere Zeitungen im Nordosten mit Inhalten versorgen. Damit feiert ein altes Schreckgespenst Auferstehung: der gemeinsame Mantel der Regionalzeitungen. Verlegerisch möglich wäre das, weil sich die Verbreitungsgebiete von OZ, »Schweriner Volkszeitung« (SVZ) und »Nordkurier« kaum noch überschneiden.

Ob allerdings ein in Lübeck produzierter Einheitsmantel für Mecklenburg-Vorpommern und halb Schleswig-Holstein kartellrechtlich haltbar wäre, ist fraglich. Dass die beiden Konkurrenzblätter Interesse hätten, darf dagegen als sicher gelten: Seit Jahren herrscht auch in Schwerin und Neubrandenburg ein rigider Sparkurs.

Es handelt sich bei der Maßnahme um eine Art internen Umbau: Die OZ gehört zur Hälfte Axel Springer und zur anderen Hälfte dem Verlag der LN, der seinerseits von Springer dominiert wird. Die »Synergieeffekte« sollen vorerst nicht zu betriebsbedingten Kündigungen führen – wohl aber zu Beschäftigungsabbau. Bei beiden Blättern werden in den nächsten Jahren rund 170 Mitarbeiter durch Altersteilzeit ausscheiden. Viele dieser Stellen könnten offen bleiben. Seit 2003 ist die Zahl der OZ-Mitarbeiter bereits von 486 auf 403 zurückgegangen, in der Redaktion arbeiteten 2007 noch 108 Journalisten – 2003 waren es 132. Nach der Wende beschäftigte die Redaktion 800 Journalisten.

Politische Hilfeleistungen blieben im Ansatz stecken
Laut OZ-Geschäftsführung steigert ein gemeinsamer Mantel die Eigenständigkeit beider Blätter. Nun hätten die Redaktionen mehr Zeit für das regionale Profil. »Es ist auch bei Bundesthemen oft ein Unterschied, ob man durch eine West- oder eine Ost-Brille sieht«, heißt es dagegen im Betriebsrat. Selbst Ministerpräsident Harald Ringstorff (SPD) forderte beim Neujahrsempfang der OZ, bei »strukturellen Anpassungen« müsse »die publizistische Vielfalt und die eigenständige redaktionelle Sicht aus der Region« erhalten bleiben.

LINKEN-Fraktionschef Wolfgang Methling sieht das ähnlich und kündigt an, »rechtliche Möglichkeiten im Landespressegesetz« prüfen zu wollen. Die rot-rote Koalition hatte ihrerzeit zwei Anläufe unternommen, Redakteursbeiräte und Redaktionsstatuten gesetzlich zu verankern. Das Vorhaben wurde aber nicht umgesetzt.

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