Wie läuft Antifa-Arbeit in der Provinz ?

Gespräch mit Jodok Fink über Neonazistrukturen und Gegenaktivitäten am Bodensee

  • Lesedauer: 3 Min.
Jodok Fink, geboren 1962, ist Pressesprecher der Antifa Ravensburg und engagiert sich im »Bündnis gegen Rechts Bodensee / Allgäu / Oberschwaben«.

ND: Am Samstag veranstaltet das regionale »Bündnis gegen Rechts« eine Demo in Friedrichshafen, um ein Zeichen gegen rechtsextreme Aktivitäten in der Bodensee-Region zu setzen. Welche Nazistrukturen existieren dort?

Jodok Fink: 2005 war in Friedrichshafen der »Freie Widerstand Süd« aktiv. Ein Jahr später traten viele seiner Mitglieder zur NPD und den »Jungen Nationalen« über. Diese Kreise haben in den letzten zwei Jahren mehrere rechtsextremistische Demonstrationen in Friedrichshafen organisiert. In der Region gibt es außerdem Kameradschaften und den »Schutzbund für das deutsche Volk«. Letzterer macht regelmäßig Schulungen und Ausflugsfahrten über den Bodensee. Dazu reisen bundesweit NPD-Kader an.

Treten Neonazis außer auf ihren Demos öffentlich in Erscheinung?

Ja, sie haben Veranstaltungen beispielsweise von der Friedrich-Ebert-Stiftung und von den Grünen gestört, die sich gegen Rechtsextremismus gerichtet haben. Bei der Gründungsversammlung der örtlichen Linkspartei standen sie mit Transparenten im Saal und verteilten Flugblätter.

Wie gestaltet sich die antifaschistische Arbeit in der süddeutschen Provinz?

Sehr schwierig. Unsere Initiativen stoßen bei Behörden, Parteien und Organisationen in Friedrichshafen leider auf Ablehnung. Im August 2007 wurde eine Demo gegen einen Naziaufmarsch von der Stadtverwaltung verboten. Ein Parteienbündnis aus SPD, CDU, Grünen, FDP und ÖDP rief für den Tag des Aufmarsches – wörtlich – zum aktiven Ignorieren und Wegschauen auf. Wir finden das katastrophal, weil es zeigt, dass man aus der Geschichte nicht gelernt hat. Die Anmelderin des Naziaufmarsches hatte in einem im Internet veröffentlichten Mobilisierungsvideo mit einem Molotowcocktail in der Hand zu Aktionen aufgerufen. Im August 2006 wurde in Lindau ein 19-jähriger Punk von Neonazis lebensgefährlich verletzt – er lag ein halbes Jahr im Wachkoma und wird sein Leben lang ein Pflegefall bleiben. Da kann man doch nicht mehr sagen, wir schauen weg und ignorieren das.

Was setzen antifaschistische Gruppen den Neonazis entgegen?

Es gab hier in der Region in den letzten Jahren einige Outing-Aktionen gegen Neonazis, die eine sehr große Wirkung hatten. Rechtsextremisten wurden damit aus ihrer Anonymität gerissen und ihre Aktivitäten öffentlich gemacht. Einer davon war der regionale NPD-Chef. Er war Kampfsporttrainer einer Jugendgruppe in Friedrichshafen. Das Outing hat dazu geführt, dass er seines Amtes enthoben wurde.

Anlässlich des Jahrestages der Befreiung von Auschwitz wird es am Wochenende viele Veranstaltungen geben. Was findet in Friedrichshafen statt?

Am Freitagabend macht die VVN/BdA eine Veranstaltung zu Rechtsextremismus in der Region im Jugendhaus »Molke«. Unser »Bündnis gegen Rechts« organisiert am Samstag die Demonstration vom Fridolin-Endraß-Platz, vorbei am ehemaligen Gestapo-Gefängnis, durch Friedrichshafen. Und am Sonntagnachmittag führt das Parteienbündnis eine Kundgebung durch. Leider stehen diese Veranstaltungen nebeneinander und wurden nicht zusammen organisiert und angekündigt. Wir haben uns vergeblich darum bemüht, gemeinsam ein antifaschistisches Wochenende durchzuführen, um damit ein deutliches Zeichen gegen Rechts zu setzen.

Fragen: Niels Seibert

ravensburg.antifa.net

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