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Das Musical »Elisabeth« begeistert

»Die wahre Geschichte der Sissi« wird im Theater des Westens wie eine Uraufführung gefeiert

  • Hanno Harnisch
  • Lesedauer: 3 Min.

Man stelle sich nur für einen kleinen Moment vor, wir hätten das Jahr 1992. Michael Kunze ist just fertig geworden mit seinem genialen Buch (und den Liedtexten), Sylvester Levay hat gerade die letzte Note geschrieben zu seinen eingängigen Songs, Hans Schavernoch soeben die letzte Skizze für sein Bühnenbild vollendet und Regisseur Harry Kupfer (ja, genau der von der Komischen Oper) bringt all diese Ideen mit brillanten Musicaldarstellern zusammen auf eine Bühne in Berlin. Die deutsche Hauptstadt hätte Musiktheatergeschichte geschrieben mit dem Musical »Elisabeth«. Zu schön, um wahr zu sein. Und doch stimmt alles, bis auf Berlin.

1992 hatte »Elisabeth« im Theater an der Wien Uraufführung. Es sollte 16 Jahre dauern, bis es jetzt – endlich – in Berlin angekommen ist. Mittlerweile haben es acht Millionen Zuschauer gesehen. Dennoch – oder vielleicht gerade deswegen – wurde die Premiere am Sonntag im Theater des Westens bejubelt wie eine Uraufführung.

Es ist fürwahr eine wunderliche Geschichte um »Sis(s)i«, die bayerische Adelstochter vom Starnberger See, die – anstelle ihrer Schwester – Kaiserin von Österreich wird. Eine Kaiserin, die Heinrich Heine mag, ihren Mann nicht richtig liebt und ein Leben lang vor ihm flieht, der ihr einziger Sohn erst vorenthalten, später fremd wird, die einen Revolutionär in Ungarn zum Minister macht, ihr Leben fast zerstört durch Hungerkuren – und deren Leben, zwei Jahre vor der Jahrhundertwende, durch den Dolchstoß eines italienischen Anarchisten ausgelöscht wird. Ein Stoff, wie gemacht für den Film (Romy Schneider) oder eben die Bühne.

Dieses Musical vereinfacht, ohne schlicht zu sein. Es bekennt sich dazu, dass viele es als »Kitsch« empfinden, was das Leben der geplagten Herrscherin ausmacht. Die Bühnenumsetzung ist nicht nur makellos, sie ist brillant. In vielem folgt die Aufführung im Theater des Westens dem Original aus Wien von 1992. Eine Kaffeehausszene als Autoscooter zu zeigen, den Chor sich im Stakkato bewegen zu lassen, mal als Hofgesellschaft, mal als aufmüpfiges Volk, das nach Freiheit dürstet (Choreografie Dennis Callahan), das ist einzigartig, sinnlich, mitreißend. Und auch die Idee, den »Tod« (Uwe Kröger, mit dem Charme eines Boy-Group-Stars) als wahren Partner der Elisabeth (Pia Douwes, klar bis in die höchsten Töne) zu sehen und nicht ihren blassen, fortwährend alternden Gemahl, den Kaiser Franz Joseph (Markus Pohl). Der Kunstgriff, den Mörder der Kaiserin (Markus Pol) die Geschichte quasi erzählen zu lassen, das ist feinste Dramaturgie.

So kann man sich getrost dieser Schmonzette hingeben, ohne gleich Royalist zu werden, kann sich an den eingängigen, immer wiederkehrenden musikalischen Themen, an der verblüffenden Regie ergötzen, und großes Gefühl – weit über hundert Jahre nach Elisabeth – zulassen. Und man darf sich freuen, endlich wieder einmal eine Inszenierung von Harry Kupfer in Berlin zu haben, auch wenn es keine Uraufführung ist.

Bis zum 28. September täglich (außer montags), Kartentelefon: (01805) 4444.

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