Gerechtigkeit und Gleichheit – oder Freiheit

Kommunistische Plattform und Marxistisches Forum luden zu einer Diskussion ins ND-Gebäude

  • Fabian Lambeck
  • Lesedauer: 3 Min.
Innerhalb der LINKEN vertreten die Kommunistische Plattform und das Forum demokratischer Sozialismus konträre Positionen. Am Mittwochabend trafen Vertreter beider Strömungen während einer Diskussion aufeinander.

Die in Dresden erscheinende »Sächsische Zeitung« veröffentlichte in ihrer Ausgabe vom Donnerstag ein Interview mit Sahra Wagenknecht. Die streitbare Vertreterin der Kommunistischen Plattform sagte dem Blatt, dass sie sich vorstellen könne, die LINKE im Bundestag zu vertreten. Dieses Statement wird wohl auch innerhalb der Partei wieder für einigen Wirbel sorgen. Schon im April sorgte ein offener Brief der »Sozialistischen Linken« für Aufsehen. Darin schlugen einige Genossen die Wahl Sahra Wagenknechts zur stellvertretenden Parteivorsitzenden vor. Einer der Unterzeichner war Klaus Höpcke.

Der ehemalige stellvertretende Kulturminister der DDR war es auch, dem am Mittwochabend die Leitung einer Diskussion im ND-Gebäude oblag. Eine Äußerung des Philosophen Michael Brie gab dieser Veranstaltung das Thema vor. »Es gibt in der Partei durchaus noch Mitglieder, die bereit wären, die politische Freiheit für die Ziele Gerechtigkeit und Gleichheit einzuschränken«, hatte Brie dem »Rheinischen Merkur« gesagt. Es ging also um die grundsätzliche Frage, ob die Einschränkung von Freiheit eine legitime Möglichkeit darstellt, um die von der LINKEN postulierten Ziele – Gleichheit und Gerechtigkeit – zu erreichen.

Professor Brie, stellvertretender Vorsitzender der Rosa-Luxemburg-Stiftung, musste sich den Diskutanten Ellen Brombacher und Professor Hermann Klenner stellen. Ihm zur Seite stand, wenn man so will, Stefan Liebich. Der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Berliner LINKEN ist auch Sprecher des Forums demokratischer Sozialismus. Nachdem Moderator Klaus Höpcke die Podiumsteilnehmer begrüßt und vorgestellt hatte, bekamen Michael Brie und Hermann Klenner Gelegenheit, ihre konträren Positionen dem Publikum vorzustellen. Bries Ausführungen lassen sich mit dem Luxemburg-Zitat zusammenfassen, wonach Freiheitsrechte nicht durch das Ziel, die Überwindung der Herrschaftsverhältnisse, verneint werden dürften. Der Philosoph meinte, dass die Einschränkung der Reisefreiheit in der DDR die Verneinung elementarer Grundrechte eines Staatsbürgers gewesen sei. Seine Ansichten wurden vom Publikum allerdings nur mit spärlichem Applaus honoriert. Diese Zurückhaltung war wohl auch darauf zurückzuführen, dass die Anwesenden mehrheitlich der Kommunistischen Plattform nahestanden.

Auf deutlich mehr Wohlwollen stieß die 15-minütige Rede des Rechtsphilosophen Hermann Klenner. Der Jurist wollte keine Unterscheidung zwischen Extremismus und Radikalismus machen, auch mit Verweis auf staatliche Geheimdienste. Die Kommunistische Plattform wird bekanntlich in einigen Bundesländern vom Verfassungsschutz beobachtet. Dafür nahm er zum Thema Freiheit umso eindeutiger Stellung. Klenner meinte, dass ein Zurückstellen sozialer Gleichheit hinter politische Freiheitsrechte für ihn einen Rückschritt bedeute – noch hinter die französische Revolution. Stefan Liebich nutzte die Gelegenheit und erinnerte die Anwesenden an die heftigen Diskussionen innerhalb der damaligen SED-PDS über den Umgang mit den Opfern des Stalinismus. Der Sonderparteitag vom Dezember 1989 befürwortete Pläne, diesen Opfern ein Mahnmal zu errichten. Michael Brie pflichtete ihm bei und forderte eine unbedingte Distanzierung vom Stalinismus.

Ellen Brombacher von der Kommunistischen Plattform stellte die Verbrechen Stalins nicht in Abrede, wollte aber den Sozialismus nicht auf diesen reduziert wissen. Man müsse auch die positiven Seiten des real existierenden Sozialismus berücksichtigen, sagte sie. Danach erinnerte Stefan Liebich an die Forderung Sahra Wagenknechts, den Regierungen Lateinamerikas uneingeschränkte Solidarität entgegenzubringen. Liebich plädierte hingegen dafür, die dortigen linken Regierungen mit einer kritischen Solidarität zu begleiten.

Der Ton wurde merklich rauer, als man dem Publikum die Möglichkeit einräumte, den Diskutanten Fragen zu stellen. Das Wort »Geschichtsrevisionsmus« fiel, in Bezug auf Bries Äußerungen, dabei des Öfteren.

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