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In Kuba hört man neue Töne

Offenes und heimliches Werben um ökonomische Kooperation

  • Leo Burghardt, Havanna
  • Lesedauer: 4 Min.
Kuba braucht einen wirtschaftlichen Aufschwung, das ist unbestreitbar. Und kaum ein Tag vergeht noch, ohne dass es den Kubanern ins Gedächtnis gerufen wird.

In Kuba liest und hört man zur Zeit Informationen, wie sie gegensätzlicher nicht sein können. Auf der Provinzversammlung der Kommunistischen Partei, auf der die neue KP-Leitung der Hauptstadt gewählt wurde, wiederholte Maria Del Carmen Concepción, Mitglied des Sekretariats des Zentralkomitees, was Fidel Castro schon im November 2005 in der Universität Havanna deutlicher und düsterer als je zuvor prophezeit hatte. Sinngemäß: Wenn die kubanische Wirtschaft nicht kräftig zulegt und ein großer Teil der Importe durch eigene Produkte ersetzt, laufe die Revolution Gefahr, sich selbst zu zerstören.

Das ist inzwischen zweieinhalb Jahre her. Raúl Castro und sein Team beschneiden jetzt die Bürokratie, verteilen brach liegenden Boden an Privatbauern und haben die Aufkaufpreise für eine Reihe landwirtschaftlicher Produkte erhöht, darunter für Milch. Sie sind dabei, ein System einzuführen, wonach jeder entsprechend den Resultaten seiner Arbeit entlohnt wird. Sie haben sechs Minister ausgewechselt und die »Nahrungsautonomie zu einem Problem der nationalen Sicherheit« deklariert. Alles und mehr zwar nicht in aller Stille, aber ohne den Versuch, die Schwierigkeiten zu bagatellisieren.

2007 hat Kuba beispielsweise für Lebensmittelimporte 1,47 Milliarden Dollar bezahlen müssen. Die gleiche Menge an Nahrungsgütern, 3,4 Millionen Tonnen, würden in diesem Jahr 2,55 Milliarden Dollar kosten. Kuba investiert nur noch, wo Not am Mann ist. Trotzdem beträgt die dafür vorgesehene (und nicht veröffentlichte) Summe das 2,4-fache von der im Jahr 2000 und macht 29 Prozent mehr aus als im Vorjahr.

Auch das sind in Kuba neue Töne: Wenn Überstunden fällig werden, um den Plan zu erfüllen, ist in den meisten Fällen die normale Arbeitszeit nicht in erforderlichem Maß genutzt worden. Priorität haben die Landwirtschaft, der Wohnungsbau, die Sanierung der Polikliniken und Hospitäler, der Transport und die Erneuerung der Netze, der Wasserversorgung und Entsorgung.

Anders, geradezu fröhlich, klingen die Analysen des brasilianischen Präsidenten Luis Inácio Lula da Silva und seines Außenministers Celso Amorim, der »beträchtliche Investitionen in die kubanische Landwirtschaft, die Reparatur und den Ausbau der Infrastruktur« ankündigte. Und ohne den Anflug eines Lächelns fügte er hinzu: Kuba verfüge über die meisten Freiräume für ausländische Kapitalanlagen, er könne sich die Insel in nicht allzu ferner Zukunft als eine Art »asiatischen Tiger« vorstellen.

In Havanna haben bereits vier renommierte brasilianische Wirtschaftsunternehmen ihre Büros eingerichtet: Empraba will auf 45 500 Hektar Soja anbauen, Odebrecht ist auf Straßen und Autobahnen spezialisiert, Marcopolo interessiert sich für Nickel und die Petrobras fürs Erdöl, das – wie man inzwischen wissen will – in enormen Mengen in dem zu Kuba gehörenden Gebiet des Golfs von Mexiko schlummern soll. Allerdings in 10 000 Meter Tiefe. Geringere Ressourcen liegen höher, sind jedoch »schwer«, mit großem Bleigehalt, also nicht so wertvoll wie das leichte, das im besten Fall wie Dieselkraftstoff zu verwenden ist. Kuba hat bereits Konzessionen an Spanien, Indien, Norwegen, Finnland, Brasilien, Vietnam und Malaysia vergeben, aber 100-prozentig sicher ist nur, dass allein US-amerikanische Multis über die Technik verfügen, um in solchen Tiefen zu bohren und zu fördern.

Kuba hatte 2003 die US-amerikanischen Gesellschaften eingeladen, sich an der Förderung zu beteiligen. Und tatsächlich wäre beinahe ein erster Kontakt zwischen Experten des staatlichen kubanischen Unternehmens Cupet und Vertretern von Exxon Mobil und Valero Corp. zustande gekommen. In der Hauptstadt Mexikos, im Hotel »Sheraton«, dessen Direktion jedoch von Washington angewiesen wurde, die kubanischen Gäste zu feuern. Es kam zum Eklat bis auf die internationale Ebene. Doch mit den offenen Kontakten war erst mal Schluss.

Unter der Hand, heimlich fast, wird gemunkelt, trifft man sich weiter. Denn wie Kirby Jones, ein Unternehmer, der seit Jahren Handelsbeziehungen zu Kuba vermittelt, seufzte: »Das wäre nun das erste Mal, dass das Embargo uns, die Vereinigten Staaten, teuer zu stehen kommt. Wir brauchen Erdöl, egal woher es kommt. Und in diesem Fall wäre es 80 Kilometer vor unserer Küste.«

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