Deutsches Reich spukt in der »Frischen Quelle«

Rechtsextreme Monarchisten träumen vom Aufstand gegen »demokratische Fremdherrschaft«, doch niemand will ihnen folgen

  • Carsten Hübner
  • Lesedauer: 4 Min.
Bisher sind die Aufrufe zum Aufstand an den Adel ebenso folgenlos geblieben wie die an das deutsche Volk. Einige rechte Fanatiker lassen dennoch nicht von ihren Träumen ab.
Rechtsextreme wurden in die Parlamente gewählt und zeigen auf der Straße Präsenz. ND zeigt in einer Serie, dass sich im Hintergrund oft rechtskonservative und rechtsextreme Intellektuelle die Hand reichen.
Rechtsextreme wurden in die Parlamente gewählt und zeigen auf der Straße Präsenz. ND zeigt in einer Serie, dass sich im Hintergrund oft rechtskonservative und rechtsextreme Intellektuelle die Hand reichen.

Der Adel zwischen A wie Anhalt und W wie Württemberg wird wohl kaum gewusst haben, wie ihm geschieht, als ihn am 16. Juni 2002 der Ruf aus dem thüringischen Luftkurort Mosbach ereilte. Denn soeben hatte das im Land-gasthof »Frische Quelle« tagende »Deutsche Kolleg« (DK) beschlossen, die »Familienhäupter« des anno 1866 gegründeten »Ewigen Bundes Deutscher Fürsten« zur Machtübernahme aufzufordern.

»Wir Unterzeichner bitten die deutschen Fürsten dringend, uns von der Schreckensherrschaft der von den Siegermächten nach 1918 und 1945 eingesetzten Demokraten und Parlamentarier zu befreien und das Deutsche Reich mit seiner monarchisch-aristokratischen Verfassung wieder herzustellen«, so die vom DK verabschiedete Petition, der neben einem »Bittbrief«, einer selbst entworfenen Verfassung und mehreren Gesetzestexten auch ein »Aufstandsplan« beigelegt war. Als Initiatoren des merkwürdigen Coup d’état, der bislang ohne nennenswerte Folgen geblieben ist, zeichneten neben dem rechtsextremen Mo-narchisten Uwe Meenen (NPD) auch zwei ehemalige Linke verantwortlich: der frühere SDS-Funktionär Reinhold Oberlercher und Ex-RAF-Mitglied Horst Mahler.

Das von Oberlercher und Meenen 1994 aus der Taufe gehobene »Deutsche Kolleg« hat in der Vergangenheit wiederholt mit Beiträgen auf sich aufmerksam gemacht, die den Eindruck erwecken, ihre Autoren seien eher verwirrt als ernst zu nehmende Ideologen, weshalb das DK selbst im rechtsextremen Spektrum keineswegs unumstritten ist. Denn tatsächlich offenbaren Oberlerchers akribische Versuche, ein »Viertes Reich« en Detail am Schreibtisch zu konzipieren, manische Züge. Selbst auf die in der offiziellen Gesetzgebung üblichen Abkürzungen mag er weder bei seinem Reichsverfassungsentwurf (RVerfE99) noch bei Gesetzen wie dem Arbeitsdienstgesetz (ArbDG) verzichten, die er wiederum in eine Vielzahl von Paragrafen untergliedert hat. Sein Drang an die Hebel der Macht, und sei es durch einen gewaltsamen Putsch, erscheint vor diesem Hintergrund nicht nur politisch, sondern vor allem auch persönlich durchaus als folgerichtig.

Doch so absurd solche staatspolitischen Sandkastenspiele auch sein mögen, so klar sind die ansonsten vom DK formulierten politischen Positionen. Es geht um die radikale Dekonstruktion demokratischer Werte und Gesellschafts-strukturen, um wissenschaftlich verbrämten Rassismus und Antisemitismus und um die Revision der Geschichtsschreibung über die NS-Zeit. Zu diesem Zweck organisiert das DK regelmäßige Treffen und Schulungen im kleinen Kreis. Veranstaltungsort war in der Vergangenheit häufiger der Landgasthof »Frische Quelle« in Mosbach, wo erst Anfang Juli die Jahreshauptversammlung stattfand. Neben Oberlercher, der über die »Theorie der Globalisierung« referierte, war der österreichische Rechtsextremist und Buchautor Richard Melisch als Hauptredner geladen. Er sprach ebenfalls zur Globalisierung, in einem weiteren Beitrag zum Nahostkonflikt.

Außerdem bietet das DK über seine Internetseiten Schulungstexte zum Download an und verbreitet Stellungnahmen zu aktuellen Themen, von denen in der Vergangenheit mehrere wegen Antisemitismus und Aufstachelung zum Rassenhass verboten wurden. Erst seit der notorische Holocaust-Leugner Horst Mahler das DK im Jahre 2004 nach einem Streit mit Oberlercher verlassen hat, hält es sich mit justiziablen Äußerungen zum Holocaust erkennbar zurück, verzichtet aber trotzdem keineswegs auf antisemitische Ressentiments.

Anlass der Auseinandersetzung mit Mahler war der von diesem Anfang 2003 begonnene »Feldzug gegen die Offenkundigkeit des Holocaust«, der noch im selben Jahr zur Gründung des inzwischen verbotenen »Vereins zur Rehabilitierung der wegen Bestreitens des Holocaust Verfolgten« führte. Da Mahler zur selben Zeit aber auch die »Reichsbürgerbewegung« (RBB) initiierte, deren Vorstellungen mit denen des DK durchaus korrespondieren, blieb ein völliger Bruch aus.

Zentrales ideologisches Moment der Reichsbürgerbewegung ist die Behauptung, das Deutsche Reich sei völkerrechtlich weiter existent, weshalb alles staatliche Handeln in der Bundesrepublik inklusive seiner Gesetze und Akteure illegal und als Ausdruck von Fremdherrschaft abzulehnen sei. Mahler rief deshalb alle Deutschen auf, dieser Bewegung beizutreten und sich an einem »Aufstand des Deutschen Volkes« zu beteiligen.

Der blieb bisher jedoch ebenso aus wie die im Juni 2002 vom »Deutschen Kolleg« herbeigesehnte Wiedereinführung der Monarchie. Ob sie bereits vollends gescheitert ist, muss offen bleiben. Schließlich hatte der Ex-Linke und Hegel-Experte Oberlercher bereits Jahre vor dem Coup die angeblich alles erklärende »Weltgeschichtsformel ±(SMR(pq(X,Y)r) ±(abg)(g,t))« entwickelt, die er sicher zur Chancenoptimierung genutzt hat.

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