Der Mensch ist ein Fluchttier

Der österreichische Erzähler und Essayist Robert Menasse über Marathonläufe, die USA und Bela Gutmann

Robert Menasse ist einer der wichtigsten österreichischen Romanciers und Essayisten. Er wurde 1954 in Wien geboren, studierte Germanistik, Philosophie sowie Politikwissenschaft in Wien, Salzburg und Messina. Er lehrte mehrere Jahre an der Universität São Paulo in Brasilien. Seit seiner Rückkehr aus Brasilien 1988 lebt Menasse als Schriftsteller und Essayist in Wien, im österreichischen Waldviertel und in Amsterdam. Er ist Autor des Suhrkamp Verlages Frankfurt am Main. Zuletzt erschienen die Romane »Die Vertreibung aus der Hölle« und »Don Juan de la Mancha«. Essays u.a.: »Das war Österreich«, »Die Zerstörung der Welt als Wille und Vorstellung. Frankfurter Poetikvorlesungen«. Menasse treibt eine herausfordernde Fantasie in seine Wahrnehmungen der Welt hinein, angesichts dessen so mancher Gesellschaftstheoretiker oder Kulturkritiker im Interpretationsgeschäft des politischen Alltags nur erblassen muss. Die Vehemenz der Skepsis ist bei diesem Autor durch Hoffnung nicht zu bremsen, und doch: Sein Geist atmet die List und Lust des Menschen, der seine Existenzkraft als Schöpferkraft begreifen darf, weil er fürs Gefühl eines guten Lebens genügend Welt gegen sich hat. Das folgende Interview ist ein Auszug aus dem in Kürze erscheinenden Buch von Hans-Dieter Schütt: »Die Erde ist der fernste Stern. Gespräche mit Robert Menasse«, Dietz Verlag Berlin, 200 S., 9,90 Euro.

ND: Robert Menasse, die Idee von jenem revolutionären Subjekt, das die Arbeiterklasse hätte sein sollen – diese Idee erwies sich als Illusion. Hat diese Idee von einem Subjekt der Geschichte für Sie dennoch eine Zukunft?
Menasse: Für das revolutionäre Subjekt, das heutzutage oder morgen die Kraft haben möge, die Qualitäten der Bürger-Gesellschaft zurückzufordern und sie neu aufzubauen und dabei möglicherweise weit über das hinaus zu gehen, was diese bürgerliche Gesellschaft uns bisher hat bieten können – für dieses revolutionäre Subjekt gibt es noch keinen Namen ...

Aber es existiert also?
Ja, denke ich. Vielleicht kann man diese in der globalisierten Welt vollkommen neue soziologische Gruppe – oder fast schon wieder: Klasse? – wenigstens diffus unter einem Begriff zusammenfassen: Sie setzt sich, erstmals in der Geschichte der Menschheit, aus Vertretern aller gesellschaftlicher Gruppen zusammen, die aus ihren je...


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