Jeder fünfte Deutsche ausländerfeindlich

Untersuchung stellt vor allem Mecklenburg-Vorpommern und Bayern schlechtes Zeugnis aus

  • Oliver Händler
  • Lesedauer: 3 Min.
Eine Studie der Universität Leipzig hat ergeben, dass rechtsextreme Einstellungen in Deutschland immer noch sehr verbreitet, wenn auch leicht rückläufig sind. Eine genauere Betrachtung der einzelnen Bundesländer unterstreicht zudem, dass der gängige Ost-West-Vergleich zu kurz greift.

Rechtsextreme Einstellungen sind weder an Wahlergebnissen der NPD oder der DVU noch an der Anzahl der Gewalttaten gegenüber Ausländern messbar. Diese gelten »nur« als ihre ans Licht tretenden Auswüchse. Rechtsextremes Gedankengut hat seit Jahrzehnten seinen Platz in der Mitte der Gesellschaft, das belegen die Ergebnisse einer von der Friedrich-Ebert-Stiftung in Auftrag gegebenen Studie. Danach ist mehr als jeder fünfte Deutsche ausländerfeindlich, etwa gleich viele Menschen fordern, »Deutschland die Macht und Geltung zu verschaffen, die ihm zusteht«, und jeder neunte Deutsche ist mindestens latent antisemitisch.

In alten Ost-West-Schemata gedacht, sind Unterschiede bei der Ausländerfeindlichkeit am größten (Ost: 32,6 Prozent, West: 18,2 Prozent). Hier wurde beispielsweise gefragt, ob Ausländer bei Knappheit von Arbeitsplätzen in ihre Heimat zurückgeschickt werden sollten oder die BRD überfremdet sei. Insgesamt ging der Fremdenhass um fünf Prozent zurück, was die Leipziger Wissenschaftler Prof. Elmar Brähler und Dr. Oliver Decker auf mögliche Erfolge der Projekte gegen Rechtsextremismus vornehmlich im Westen zurückführten. Hingegen ist der Antisemitismus in den alten Bundesländern (9,3) immer noch stärker ausgeprägt als im Osten (7,9). In dieser Kategorie beklagen fast 18 Prozent einen zu großen Einfluss von Juden und deren »üble Tricks« beim Erreichen ihrer Ziele.

Auch die Verharmlosung des Nationalsozialismus – jeder zehnte meint etwa: Ohne Judenvernichtung würde man Hitler heute als großen Staatsmann ansehen – ist häufiger im Westen anzutreffen, während mehr Menschen im Osten die Diktatur eines Führers oder einer Partei nicht ablehnen würden. Insgesamt schließen sich diesen Meinungen jedoch weniger als vier Prozent der Bundesbürger an. Bereits 2006 wurde festgestellt, dass die meisten Menschen mit rechtsextremen Einstellungen die Unionsparteien und SPD wählen.

Weiterhin gilt, dass rechtsextreme Einstellungen im Schnitt etwa drei Mal mehr bei Menschen mit niedrigeren Bildungsabschlüssen auftreten als bei jenen mit Abitur. Auch sind mehr Männer und Geringverdiener empfänglich für rechtes Gedankengut. Auffallend ist, dass in jeder Ausprägung rechtsextreme Tendenzen mit dem

Alter steigen. Die Annahme, dass Rechtsextremismus eher ein Problem der Jugend sei, stellt sich demnach als falsch heraus.

Überhaupt fanden die Forscher heraus, dass so einige Klischees nicht der Wahrheit entsprechen. So befand sich das Land Bayern über die vergangenen sechs Jahre hinweg gesehen in jeder der sechs Kategorien des Rechtsextremismus über dem Bundesdurchschnitt, anders als alle neuen Bundesländer. Die Bürger Brandenburgs etwa sind nur zu 1,1 Prozent antisemitisch, dafür aber zu 34 Prozent ausländerfeindlich. Mecklenburg-Vorpommern ist führend bei der Befürwortung von Diktaturen oder sozialdarwinistischen Einstellungen. Bei Vorurteilen gegenüber der jüdischen Minderheit sprechen die Forscher vom Südwest-Problem, da hier Bayern und Baden-Württemberg vorn liegen.

Trotz positiver Tendenzen warnten die Forscher vor einem möglichen nahen Rückfall. »Die Veränderung des wirtschaftlichen Klimas wird auch bei der politischen Einstellung Folgen haben«, sagte Professor Brähler.

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