Versuch einer Trauerarbeit

Bini Adamczak birgt die Toten des Kommunismus, um ihn neu zu finden

  • Peter Nowak
  • Lesedauer: 2 Min.

Viel ist schon über die Verfolgung von Kommunisten unter Stalin geschrieben worden. Und doch lohnt es sich, die 120 Seiten von Bini Adamsczak auch noch zu lesen. Ihr zweites Buch mit dem sperrigen Titel »Gestern – morgen. Über die Einsamkeit kommunistischer Gespenster und die Rekonstruktion der Zukunft« blickt zurück, um unter den Enttäuschungen die vergangenen Hoffnungen wiederzufinden. Wer Adamczak als Autorin des leicht verständlichen Büchleins »Kommunismus. Kleine Geschichte, wie alles anders wird« kennt, sei gewarnt. Ihr neuestens Buch ist keine einfache Lektüre. Gleich auf den ersten Seiten geht es um deutsche und österreichische Kommunisten, die in der Zeit des Hitler-Stalin-Pakts von der Sowjetunion an die Nazibehörden ausgeliefert wurden. »Zurückkehren wollten sie, mit einem neuen Ausweis, einem veränderten Auftrag. Und zurückkehren sie, aber unbewaffnet, nicht als Revolutionäre und statt als SoldatInnen der Sowjetmacht als deren Gefangene«, schreibt Adamczak in jenem illusionslosen Stil, der das ganze Buch prägt.

Die Beschäftigung mit dem Schicksal dieser von ihren eigenen Genossen verratenen Kommunisten ist für die junge Autorin die Voraussetzung, um eine neue kommunistische Politik zu formulieren. »Es gibt keinen Kommunismus ohne sie. Ohne sie wird es nie einen Kommunismus mehr geben«, schreibt sie in ihrem Buch. Deutlich wird, dass die Autorin den Roman »Ästhetik des Widerstands« von Peter Weiss gründlich studiert hat, der das Trauma von dissidenten Kommunisten in den 30er Jahren zum Thema hat. Von den Theoretikern der Frankfurter Schule Adorno und Horkheimer hat sie den Geschichtspessimismus und ihren kritischen Blick auf jegliche Fortschrittsidee übernommen.

Dass sich fast 20 Jahre nach dem Ende des Realsozialismus eine junge westdeutsche Linke auf diese Weise mit der Geschichte des Kommunismus befasst, ist erstaunlich. Sie verbindet damit nicht die Geschichte der DDR oder der alten westdeutschen Arbeiterbewegung. Für Adamczak war der im November 2003 von außerparlamentarischen Linken in Frankfurt am Main organisierte Kommunismuskongress ein wesentlicher Anstoß für die Beschäftigung mit dem Thema. Adamczak betrachtet den Kommunismus trotz der von ihr eindringlich beschriebenen Verbrechen als ein uneingelöstes Versprechen, das sie in die schönen Worten kleidet: »Erst der Kommunismus hat das historisch einklagbare Anrecht in die Welt gezwungen, keine Entmündigung hinnehmen, nicht eine einzige Erniedrigung mehr ertragen zu müssen. Seitdem ist noch das kleinste Unrecht größer und das größte schmerzt um ein Vielfaches mehr«.

Bini Adamczak: Gestern – morgen. Über die Einsamkeit kommunistischer Gespenster und die Rekonstruktion der Zukunft, Unrast 2008, 160 Seiten, 12 Euro.

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