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Wähler schauen genau, wie es läuft

Die Fraktionschefin der LINKEN im Abgeordnetenhaus, Carola Bluhm, über Koalition, Krise und Schülerdaten

  • Lesedauer: 5 Min.

ND: Gegen das BKA-Gesetz ist sich Rot-Rot schön einig. Klappt’s wieder mit dem Nachbarn?
Bluhm: In der Gesamtbilanz stehen wir doch ganz gut da. Wir haben vielleicht mehr als früher Meinungsverschiedenheiten und Konflikte mit dem Koalitionspartner öffentlich gemacht. Widersprüche sind transparenter geworden. Mit dem Effekt, dass man in der Presse auch das Aushandeln von Ergebnissen besser mit verfolgen konnte.

Gilt das auch für die Erbschaftssteuer.
In der Tat war es wirklich schwierig abzuwägen zwischen den Interessen des Landes Berlin, tatsächlich auf keinen Cent Steuereinnahmen verzichten zu können, und einem linken Kernprojekt gerechter Vermögensverteilung.

Also hatte das Ja von Wowereit etwas für sich?
Nein. Es wäre angemessen gewesen, sich an den Koalitionsvertrag zu halten. Das haben wir gegenüber der SPD auch deutlich gemacht. Wir denken als LINKE ebenfalls an die Interessen des Landes. Berlin hätte der unzureichenden Regelung nicht die Zustimmung geben dürfen, zumal die SPD selbst nicht zufrieden mit dem Gesetz war. Trotzdem haben wir den Konflikt gut gemeistert: 2009 werden wir eine Bundesratsinitiative des Landes Berlin für eine gerechtere Erbschaftssteuer anregen.

Schon gibt es wieder ein Problem. 50 Millionen Euro zusätzlich für die Sanierung der Schulen findet die LINKE gut, nennt es aber zu wenig. Schreibt im Senat jeder seine eigenen Zahlen?
Auch im Senat hat man sich darauf geeinigt, dass dieses Investitionsprogramm ein erster notwendiger Schritt ist, dem weitere folgen müssen. Damit werden wir uns intensiv noch im Januar beschäftigen. Richtig ist auch, nur das anzukündigen, was in Berlin tatsächlich auch zeitnah umgesetzt werden kann. Investitionsmittel des Jahres 2008 wurden nicht in vollem Umfange ausgegeben, das muss sich 2009 ändern.

Wird schon gerechnet?
Na klar. Es geht nicht um plakative Schnellschüsse, sondern um Investitionsmaßnahmen, die dem Land etwas bringen, doppelt und dreifach. Die Sanierung eines Schwimmbades, eines Krankenhauses oder einer Kita nach ökologischen Kriterien ist nicht nur gut für Nutzer der Einrichtung, sondern auch für das Klima in der Stadt.

Berlin hatte schon 2001 den Bankenskandal und seine Krise. Wie wir heute wissen, wurden mit schwierigen Entscheidungen Lösungen gefunden. Jetzt ist die Lage bundes- und weltweit noch ernster und es sollen zum Beispiel mit Investitionen in Bildung vernünftige Dinge geschehen. Braucht es immer erst eine Krise?
Ich glaube, dass 2001 nach dem Ende der großen Koalition von Rot-Rot die richtigen Schlüsse zur Auflösung des Reformstaus gezogen worden sind. Berlins Haushalt zu sanieren war eine große Leistung der ganzen Stadt, des Öffentlichen Dienstes, der Hochschulen, der Kultur. Den Reformwillen gilt es auch jetzt aufrecht zu erhalten und nicht alles Mögliche zu versprechen.

Zur richtigen Zeit das Richtige zu tun wird für eine erfolgreiche Intervention entscheidend sein. Damit hat die LINKE in Berlin Erfahrung, das können wir leisten.

Was sind denn die drei größten originären Erfolge der Linkspartei im vergangenen Jahr?
Wir haben bewiesen, dass unsere Referenzprojekte die richtigen sind für die Stadt und zu ihr passen: die Nichtprivatisierung von öffentlichem Eigentum ist in diesen Tagen wertvoller als zuvor und öffentlich geförderte Beschäftigung wichtig wie nie. Wir haben auch gesehen, dass unser mutiges Projekt zur Gemeinschaftsschule die richtigen Antworten auf massive soziale Ausgrenzung gibt.

Wie viel Gemeinschaftsschulen sind es jetzt insgesamt?
Es sind 16 gestartet und vier dazugekommen. Mit dem Prinzip der Freiwilligkeit sind wir natürlich auch das Risiko eingegangen, ob sich unsere Projekte als ideologische Traumschlösser erweisen oder im Alltag angenommen werden.

Manche sagen aber, das Projekt läuft nicht so recht.
Im Gegenteil. Wir erleben bei den ersten Gemeinschaftsschulen eine pädagogische und soziale Aufbruchstimmung. In der neu gegründeten Schule in Prenzlauer Berg kommen auf 80 Plätze derzeit 208 Anmeldungen. Offensichtlich sind Eltern mit ihren Kindern längst weiter als eine hoch ideologisierte Debatte jener, die aus Angst vor Veränderungen irgendwie am gegliederten Schulsystem festhalten möchten.

Was war die größte Schlappe?
Dass der Bezirk Pankow in eine Haushaltssperre geraten ist. Denn eine Ursache ist, dass auch von uns versäumt wurde, das Problem der Altschulden zu lösen.

Dann ist da noch die Schülerdatenbank. Sieben Abweichler zählt die Fraktion.
Das Projekt hat bereits eine große Aufmerksamkeit. Es ist aber noch nicht abgeschlossen.

Ein gutes Zeichen für eine sensible Gesellschaft.
... und für eine transparente Debatte. Natürlich spielt da schon mal die Auseinandersetzung mit dem BKA-Gesetz und der Ausspähung von Daten bei der Landesbank hinein. Das ist allerdings nicht zu vergleichen. Bei der Schülerdatei geht es darum, dass gut ausgebildete Lehrer an die richtigen Stellen in der Stadt kommen, und soziale Kriterien bei der Verteilung von Ressourcen, auch von Personal auf die Schulen eine Rolle spielen. Das fordern wir als LINKE. Soziale Hintergründe und Herkunftsfragen spielen dabei eine besondere Rolle.

Da wird es ja problematisch.
Vom ersten Augenblick an war der Datenschutzbeauftragte eingebunden. Er hat deutliche Hinweise gegeben, wo Daten pseudonymisiert werden müssen und Hacker nicht reinkommen dürfen.

Gäbe es im Augenblick in der Fraktion eine Mehrheit für die Schülerdatei?
Es gab eine Trendabstimmung. Die Mehrheit sagt, das Anliegen ist uns wichtig. Aber es gibt auch jene, die sagen, Missbrauch ist möglich und Befürchtungen sind berechtigt. Es reicht jedenfalls nicht, dass der zuständige Senator aufstampft und sagt, ich will es nächstes Schuljahr leichter haben. Es geht es um vertrauensbildende Maßnahmen, dass sensibel mit den Daten umgegangen wird.

Es kommt das Superwahlkampfjahr 2009. Wird es schwerer, mit der SPD gemeinsam zu regieren?
Die Linke hat Profil und deshalb zeigt sie auch Profil. Im Jahr 2009 wird vieles nicht einfacher. Aber wir haben auch schlaue Wählerinnen und schlaue Wähler. Die schauen möglicherweise genauer auf die Versprechen und was im Alltag wirklich besser läuft. Unser Anliegen ist es, uneitel Sachpolitik zu machen, streitbar zu sein und sich für das Wohl der Stadt auch gern mit der SPD zu einigen.

Fragen: Klaus Joachim Herrmann

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