Bootsflüchtlinge klagen Thailand an

Hunderte sollen von Marinesoldaten auf offener See ausgesetzt worden sein

  • Daniel Kestenholz, Bangkok
  • Lesedauer: 3 Min.
Menschenrechtsgruppen werfen thailändischen Marinesoldaten vor, Hunderte von Bootsflüchtlingen aus Myanmar (Burma) und Bangladesch im Indischen Ozean abgefangen und auf hoher See wieder ausgesetzt zu haben. Etliche davon bleiben vermisst.

Thailands Premier Abhisit Vejjajiva kündigte eine Untersuchung an. Doch die Marineführung meint schnippisch, das sei unnötig, denn die Vorwürfe seien erlogen. Auch der mächtige Vizepremier Suthep Thuagsuban zeigt sich mehr um Thailands Ansehen als um eine lückenlose Aufklärung der Klagen besorgt. Und viele Medien ignorieren die Geschichte: Sie wollen die Militärs nicht erzürnen.

Aufnahmen zeigen jedoch, wie thailändische Soldaten im Dezember Dutzende aufgegriffener Bootsflüchtlinge an einem Strand auf den Boden zwangen und auf sie einprügelten. Am 18. Dezember sollen die Flüchtlinge auf hoher See in Booten ohne Motor ausgesetzt worden sein – mit zwei Fässern Wasser und vier Säcken Reis an Bord.

Bei den Betroffenen handelt es sich um Rohingyas, Angehörige einer muslimischen Minderheit, die im Grenzgebiet zwischen Myanmar (Burma) und Bangladesch lebt. Sie bezahlen Schleppern umgerechnet rund 300 US-Dollar für die riskante Überfahrt nach Thailand. Einige schaffen es auch nach Malaysia oder Indonesien.

Mehr als 400 Rohingyas, die im Süden Thailands gelandet waren, sollen jedoch von der Küstenwache aufgegriffen worden sein. »Sie haben uns die Hände zusammengebunden und in Boote ohne Motor verfrachtet«, berichtete ein Mann namens Zwa Win dem britischen Sender BBC, »die wurden dann auf das Meer hinausgezogen.« Die Absicht der Thailänder sei eindeutig gewesen: »Sie wollten, dass wir in dem Boot sterben.« Das Boot sei zwölf Tage im Meer getrieben, ehe die indische Marine die Männer rettete. 107 lebten noch. Die anderen waren verhungert oder beim Versuch, schwimmend an Land zu kommen, ertrunken.

Es scheint sich nicht um einen Einzelfall gehandelt zu haben. Dem Hilfswerk Arkan Project zufolge haben Thailands Behörden Ende Dezember weitere 600 Flüchtlinge auf vier Booten aufs Meer hinaus geschleppt. Die Zeitung »Jakarta Post« zitierte den 30-jährigen Imam Husein, der als einer von 193 Flüchtlingen, darunter Frauen und Kinder, die indonesische Provinz Aceh erreichte: Auf hoher See hätten die thailändischen Soldaten die Motoren der Flüchtlingsboote zerstört und alle Nahrungsmittel über Bord geworfen.

Die Vorwürfe häufen sich. Dabei hat das Königreich Thailand etliche Erfahrungen mit der Aufnahme von Flüchtlingen. Entlang der Grenze zu Myanmar leben Zehntausende in gut betreuten Lagern. Während des langen Bürgerkriegs in Kambodscha waren thailändische Auffanglager Zuflucht für Hunderttausende – allerdings auch sicheres Hinterland für die Banden Pol Pots.

»Wir stoßen niemanden zurück aufs Meer«, versicherte Oberstleutnant Tara Soranarak von der zuständigen Einwanderungsbehörde. Marinechef Kamthon Phumhiran hält Untersuchungen für überflüssig, weil die Vorwürfe unhaltbar seien. Die Fotos, die reihenweise am Strand liegende Flüchtlinge zeigen, seien von Touristen aufgenommen worden, die keine Ahnung hätten. Es sei durchaus üblich, dass die Sicherheitskräfte, um sich selbst zu schützen, eine größere Zahl von Aufgegriffenen zunächst auf den Boden zwingen.

Chris Lewa vom Arkan Project dagegen betont, die Aussagen der Überlebenden deckten sich: Sie seien geprügelt, gefesselt und zum Besteigen von Booten gezwungen worden. Thailands Streitkräfte aber scheinen sich auf ihre Straffreiheit zu verlassen: Sie betrachten sich als «Hüter der Nation«, deren Zorn sich auch die Regierung nicht zuziehen darf.

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