Studie fällt Peter Müller auf die Füße

Heiko Maas: Integrationsniveau zeigt »Zustand der Gesellschaft, die wir im Saarland haben«

  • Martin Sommer
  • Lesedauer: 3 Min.
Der Landtagswahlkampf im Saarland wirft seine Schatten voraus. Die jüngste Studie zur Integration, die einen Ländervergleich herstellt, bietet schon mal einen Anlass.

Noch rund sieben Monate, dann wird im Saarland ein neuer Landtag gewählt. Und eines zeichnet sich schon jetzt ab: Ministerpräsident Peter Müller wird wohl nicht länger auf die absolute Mehrheit der CDU bauen können. Umfragen zufolge wäre an der Saar die erste rot-rote Koalition in Westdeutschland möglich. Schlechtes Timing also, dass eine Studie des Berlin-Instituts ausgerechnet jetzt der Landesregierung Versagen in der Integrationspolitk bescheinigt.

Peter Müller hatte sich seinerzeit bundesweit als Chef der Zuwanderungskommission seiner Partei profiliert. Doch nun fällt ein Schatten auf seinen Ruf. Denn die Fakten sind klar und düster: Nirgendwo in Deutschland werden Zuwanderer so schlecht integriert wie im kleinsten Flächenland, dem Saarland. 15 Prozent der Menschen mit Migrationshintergrund haben hier keinen Schulabschluss, nicht einmal ein Viertel hat Abitur. Insgesamt haben 17 Prozent aller Saarländer nicht-deutsche Wurzeln – viele von ihnen kamen in den 50er und 60er Jahren als Gastarbeiter meist aus der Türkei und Italien, um im damals boomenden Bergbau oder der saarländischen Stahl- und Autoindustrie zu helfen. Und die allermeisten blieben. In keinem anderen Bundesland gibt es einen so großen Anteil von Zuwanderern aus Südosteuropa. Und nirgendwo anders sieht es für sie so schlecht aus.

Besonders erschreckend: 45 Prozent der Türken, die im Saarland leben, haben überhaupt keinen Bildungsabschluss. Ein schwacher Trost, dass die Studie auch das Bildungsniveau der übrigen Saarländer für bescheiden hält, weil auch von ihnen nur 15 Prozent ein Studium abgeschlossen haben. Für die Zuwanderer sieht es nämlich auch in Zukunft nicht gut aus: Denn nirgendwo sonst besuchen so wenig jugendliche Migranten eine gymnasiale Oberstufe. Und während deutschlandweit die zweite Migranten-Generation zumeist besser dasteht als ihre Eltern, ist es hier umgekehrt: Die Söhne und Töchter der Gastarbeiter sind wesentlich stärker von Hartz IV und anderen Sozialleistungen abhängig als ihre Väter und Mütter. Kein Wunder also, dass das Thema jetzt im aufziehenden Wahlkampf besonders brisant wird.

Der Chef der SPD im Land, Heiko Maas, sieht in der Studie denn auch eine schallende Ohrfeige für Ministerpräsident Müller und eine »miserable, konservative Integrationspolitik«. Dass Müller ausgerechnet bei einem seiner »politischen Steckenpferde« so offensichtlich gescheitert sei, spreche Bände. Die Studie präsentiere aber auch »alarmierende Zahlen über den Zustand der Gesellschaft, die wir im Saarland haben«.

Barbara Spaniol, nach ihrem Übertritt von den Grünen derzeit die einzige Abgeordnete der LINKEN im saarländischen Landtag, fordert von der Landesregierung jetzt schnell ein eigenes Landesintegrationskonzept. Außerdem müssten mehr Menschen mit Migrationshintergrund als Lehrer oder Erzieher eingestellt werden.

Die Landesregierung weist die Kritik jedoch weit von sich. Immerhin stammten die Zahlen der Studie aus dem Jahr 2005 – aus längst vergangener Zeit also. Seitdem sei viel passiert an der Saar. Gabi Schäfer, die Integrationsbeauftragte der Landesregierung, verweist stolz auf das Programm »Früh Deutsch lernen«, das inzwischen an rund 100 Grundschulen im Land eingeführt wurde. Außerdem sei das dritte Kindergartenjahr im Saarland inzwischen beitragsfrei, deshalb könnten fast 100 Prozent der Kleinen nun früh gefördert und »damit auch wiederum ihre Bildungschancen deutlich verbessert« werden, so Schäfer.

Auch die Zahl der nicht-deutschen Schüler, die Abitur oder Fachabitur machen, sei in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen, die Zahl der Schulabbrecher ohne Abschluss gleichzeitig gesunken. 1998 sei noch mehr als ein Viertel der Migranten ohne Schulabschluss gewesen, 2006 dagegen nur noch 16 Prozent. »Das ist noch nicht das Ende der Fahnenstange«, erklärt Schäfer, »aber man sieht, dass unsere Integrationsbemühungen doch langsam fruchten.« Allerdings hat das Land auch in den letzten Jahren Studiengebühren eingeführt und Grundschulen geschlossen. Keine Frage, das Thema wird im Landtagswahlkampf sicherlich eine große Rolle spielen.

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