Lula: »Der Gott namens Markt ist tot«

Weltsozialforum sucht Weg aus Zivilisationskrise

  • Gerhard Dilger, Belem
  • Lesedauer: 2 Min.

Patricia Cabral steht vor dem Stand des Aktionsbündnisses »Gerechtigkeit an den Gleisen« und verteilt Flugblätter. Die 25-jährige Chemiestudentin ist in die brasilianische Amazonasmetropole Belém gekommen, um auf dem Weltsozialforum über die Wirklichkeit in ihrem heimatlichen Bundesstaat Maranhao zu informieren, wie sie sagt. Sie berichtet von Umweltsünden des Bergbauriesen Vale, der über eine Bahnlinie bis zur Hafenstadt São Luís Eisenerz aus Amazonien in alle Welt exportiert.

Die junge Katholikin ist typisch für jene Aktivisten, die sich auf dem Gelände der Bundesuniversität in Pará im Austausch mit Gleichgesinnten neue Impulse für ihre Arbeit holen. Sechs Tage lang haben Globalisierungskritiker aus 150 Ländern auf dem Universitätsgelände von Belém getagt und getanzt. Ausgelassene junge Brasilianer prägten das Bild.

Das größte Medieninteresse zogen allerdings nicht die 100 000 Forumsteilnehmer auf sich, sondern fünf linke Präsidenten aus Südamerika, die am Donnerstag den Schulterschluss zu ihrer Basis suchten. Auf ihre Weise formulierten Luiz Inácio Lula da Silva aus Brasilien oder der Venezolaner Hugo Chávez einen Konsens aus Belém: »Der Gott namens Markt ist tot«, beschwor Lula das Ende des Neoliberalismus. »Die Utopie einer neuen, besseren Welt wird gerade in Südamerika Wirklichkeit«, rief Chávez seinem Publikum zu, »mehr denn je brauchen wir das Weltsozialforum dazu, damit ihr sie weiter vorantreibt.«

Doch nicht alle Globalisierungskritiker sind mit den Staatschefs zufrieden. »Wir erwarten mehr von euch als Reden auf Gipfeltreffen oder Mittelchen für das Kapital. Wir wollen Strukturreformen«, antwortete João Pedro Stedile von der brasilianischen Landlosenbewegung. »Die Regierung Lula hat keine klare Politik für Amazonien«, kritisierte der Befreiungstheologe Leonardo Boff. Er sieht eine Zivilisationskrise, auf die das Weltsozialforum die besseren Antworten habe als sein Gegenpart, das Weltwirtschaftsforum von Davos.

So war immer wieder vom Konzept des »guten Lebens« die Rede, das auf die Indianer aus dem Andenhochland Ecuadors und Boliviens zurückgeht. An die 2000 Ureinwohner waren wochenlang auf dem Amazonas bis an das Delta des Riesenflusses gereist. Eindringlich berichteten sie von der Zerstörung ihres Lebensraumes durch Holzfäller, Sojakonzerne oder Großstaudämme.

Auch die Attac-Aktivisten aus Japan, Afrika und Europa haben neue Proteste vereinbart. Am 28. März findet ein globaler Aktionstag zur Weltfinanzkrise statt. »Das Forum war enorm produktiv«, zog Alexis Passadakis von Attac Deutschland Bilanz, aber er räumte aber auch ein: »Es gibt noch sehr viel zu tun.«

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