Auf halbem Weg

Venezuelas Präsident strebt eine weitere Amtszeit an

  • Harald Neuber
  • Lesedauer: 3 Min.
Auf der Fiesta zum zehnten Jahrestag seiner Regierung wird Venezuelas Präsident Hugo Chávez am heutigen Montag nicht alleine sein. Ein halbes Dutzend Staatschefs aus Lateinamerika und der Karibik werden erwartet.

Es wird ein hübsches Stelldichein im Präsidentenpalast Miraflores: Evo Morales (Bolivien) und Daniel Ortega (Nicaragua) haben ihr Kommen fest zugesagt. Aus dem Karibikstaat Dominica wird Premier Roosevelt Skerrit anreisen und aus Honduras kommt Präsident Manuel Zelaya. Das sozialistische Kuba wird durch Vizepräsident Carlos Lage vertreten sein. Der Anlass: Hugo Chávez feiert sein zehnjähriges Dienstjubiläum.

Die prominenten Gäste vertreten allesamt Mitgliedstaaten des alternativen Staatenbundes ALBA, der Bolivarischen Alternative für Amerika. Dass sie mit Chávez auf sein Jubiläum anstoßen, ist kein Zufall: Die ALBA wurde Ende 2004 auf Initiative des venezolanischen Präsidenten und seines damaligen kubanischen Amtskollegen, Fidel Castro, als Gegenmodell zum US-dominierten Freihandelsabkommen ALCA ins Leben gerufen. Von der ALCA redet in der Region inzwischen niemand mehr. Die ALBA steht vor der Aufnahme weiterer Staaten, darunter Ecuador.

Das zeigt: Gut zehn Jahre nach dem Wahlsieg von Hugo Chávez am 6. Dezember 1998 ist Venezuela eine politische Regionalmacht. Sein Aufstieg und die zunehmende Bedeutung seines Reformprojektes, der »bolivarianischen Revolution«, geht mit dem Zusammenbruch der alten Elitenherrschaft einher. In Folge der neoliberalen Misswirtschaft war es schon im Februar 1989 zu einem sozialen Aufstand in der venezolanischen Hauptstadt Caracas gekommen, der sich rasch über das ganze Land ausbreitete. Auslöser waren die neoliberalen Maßnahmen, die der sozialdemokratische Staatschef Carlos Andres Pérez damals auf Druck des Internationalen Währungsfonds durchzusetzen versuchte. Die Niederschlagung des »Caracazo« war der Anfang vom Ende der alten Eliteherrschaft. Und sie markierte den Beginn der Karriere von Hugo Chávez.

Der »Caracazo« habe ihn motiviert, mit linksgerichteten Militärs drei Jahre später einen Putsch gegen Andres Pérez zu wagen. Das Vorhaben scheiterte. Doch es verschaffte Chávez noch mehr Ansehen. Vor laufenden Kameras übernahm er persönlich die Verantwortung. Man habe das Ziel nicht erreicht – »fürs Erste«. Der Nachsatz wurde zu einem Leitspruch seiner späteren Wahlkampagne.

Seit dem Amtsantritt von Chávez am 2. Februar 1999 hat sich Venezuela grundlegend geändert. Der ehemalige Oberstleutnant hat seither nicht nur zwölf Wahlen gewonnen, seine sozialpolitischen Erfolge sind beträchtlich. Nach der Etablierung mehrerer Bildungsprogramme erklärte die UN-Kulturorganisation UNESCO Venezuela 2005 frei von Analphabetismus. Die UN-Wirtschaftskommission für Lateinamerika (CEPAL) attestierte der Chávez-Regierung Erfolg im Kampf gegen die Unterernährung von Kindern. Venezuela weist nach Chile und Kuba das beste Ergebnis in der Region auf. 1998 erreichte die Trinkwasserversorgung in Venezuela nur 55 Prozent der Bevölkerung. 2007 waren es dank umfassender Investitionsprogramme bereits 80 Prozent. Venezuela hat damit schon das Millenniumsziel der UNO in diesem Bereich erfüllt.

Wenn der Prozess scheitere, wäre »all dies verloren«, warnte Chávez unlängst auf einer Kundgebung seiner regierenden Vereinten Sozialistischen Partei Venezuelas (PSUV). Wenn die alten Eliten zurückkehrten, »wird es Krieg geben«. Unter Beweis gestellt hat die Opposition beides. Mehrfach wurden in den vergangenen Jahren Sabotageakte verübt, rechtsextreme Paramilitärs aus Kolumbien festgenommen. Und als sich die Rechte während des Putschversuches im April 2002 für wenige Stunden an der Macht wähnte, wurde unter dem Applaus von Mitgliedern und Sympathisanten der Junta das Adjektiv »bolivarisch« wieder aus dem Namen der Republik entfernt. Das Parlament wurde aufgelöst.

Die Herausforderungen für Venezuelas Regierung sind enorm. Die weiter eskalierende Weltwirtschaftskrise, der Einbruch des Erdölpreises und eine gewaltbereite Opposition bedrohen das soziale Reformprojekt an seinem zehnten Jahrestag. Am 15. Februar sind die Venezolaner deswegen zu einer weiteren Abstimmung aufgerufen. Fünf Artikel der Verfassung sollen verändert werden, um die bisher geltende Begrenzung von Amtszeiten für Funktionsträger aufzuheben. Bislang können sie nur zwei Mal in Folge amtieren. »Ich will nicht ewig im Amt bleiben«, sagte Chávez dazu, »aber ich will nicht auf halben Wege stehen bleiben.«

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