Enteignung in »stabiler Seitenlage«

Offenbar rasche Verstaatlichung des Immobilienfinanzierers HRE geplant / Details umstritten

  • Lesedauer: 3 Min.
Die Bundesregierung hat beim weiteren Vorgehen in der Finanzkrise offenbar Angst vor der eigenen Courage: Eine Verstaatlichung des schwer angeschlagenen Immobilienfinanzierers Hypo Real Estate (HRE) scheint mittlerweile Konsens, doch Meinungsunterschiede über die Details behindern ein rasches Vorgehen.

Berlin (ND-Stenger/dpa). Die Bundesregierung sucht weiter nach einem Konzept für die Verstaatlichung des schwer angeschlagenen Immobilienfinanzierers Hypo Real Estate (HRE). Keine Einigung gibt es insbesondere über die Enteignung der Alt-Aktionäre.

Klar ist, dass eine neue Gesetzesgrundlage geschaffen werden muss. Das Finanzmarkt-Stabilisierungsgesetz begrenzt den staatlichen Einstieg bei privaten Banken auf 33 Prozent. Experten zufolge müssten angesichts der schweren Liquiditätsengpässe bis Ende März mindestens 95 Prozent der Anteile an der HRE erworben werden. Die Regierung scheint diesen Schritt gehen zu wollen, auch weil sie befürchtet, dass im Falle einer Pleite die bisherigen staatlichen Hilfen in Höhe von rund 90 Milliarden Euro praktisch verloren wären.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) erklärte jetzt, dass im Fall des Immobilienfinanzierers akuter Handlungsbedarf des Staates bestehe. Die HRE müsse jetzt »in stabile Seitenlage« gebracht werden, sagte sie am Samstag vor CDU-Kreisvorständen in Berlin.

Bereits am Freitag hatte sich Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) auf Betreiben des Kanzleramtes mit Vertretern von Wirtschaftsministerium, Kanzleramt und Justizministerium zu einem Meinungsaustausch getroffen, ohne dass eine Einigung erzielt werden konnte. Es gebe kein abgestimmtes Konzept, hieß es am Samstag in Regierungskreisen. In dieser Woche sollen die Gespräche fortgesetzt werden.

Unions-Fraktionschef Volker Kauder (CDU) befürwortete ähnlich wie Merkel eine staatliche Rettungsaktion für die HRE. »Wir dürfen es nicht zulassen, dass auch nur eine einzige systemische Bank in Deutschland in den Konkurs geht«, sagte er der »Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung«. SPD-Chef Franz Müntefering sagte in Saarbrücken: »Wir sind nicht darauf aus, jemanden zu enteignen oder zu verstaatlichen.« Allerdings könne es Ausnahmen geben, wenn eine Bank ganz besonders gefährdet sei.

Wie mehrere Zeitungen unter Berufung auf eine offensichtlich aus dem Hause Steinbrück stammende Gesetzesvorlage berichteten, müssten sich enteignete Aktionäre auf geringe Entschädigungen einstellen, die nur einem Bruchteil des ursprünglichen Investments entsprächen. Ein solches Regelwerk würde bis Jahresende befristet bleiben. Hauptbetroffener wäre im Falle HRE der US-Finanzinvestor J.C. Flowers, der rund 25 Prozent besitzt. Indes gibt es in der Koalition Zweifel, ob solche Eingriffe in Aktionärsrechte verfassungskonform seien. Und offenbar pokern außerdem die Alt-Aktionäre über die Höhe ihrer Abfindungen.

Dagegen fordert die LINKE mutigere Schritte. Die Verstaatlichung sei die billigste Lösung und sichere der Regierung die Kontrolle über den Umgang mit den zur Verfügung gestellten Steuergeldern, erklärte der Vorsitzende der Linksfraktion im Bundestag, Oskar Lafontaine.

Indes werden aus den USA drei weitere Bankenpleiten gemeldet. Zum Wochenende mussten infolge der Finanzkrise drei kleinere Institute in den Bundesstaaten Maryland, Florida und Utah schließen. Die Geldhäuser hatten insgesamt eine Bilanzsumme von rund 880 Millionen und Kundengelder von rund 800 Millionen Dollar. Diese seien grundsätzlich abgesichert, teilte die staatliche Einlagensicherung FDIC mit. Die Zahl der Bankenpleiten in den USA stieg damit seit Jahresbeginn auf sechs. Im Jahr 2008 gab es insgesamt 25 Zusammenbrüche von Geschäftsbanken (2007: drei).

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