Ungläubiger darf nicht Theologen ausbilden

Professor Gerd Lüdemann verliert endgültig Rechtsstreit um seine Versetzung

  • Reimar Paul, Göttingen
  • Lesedauer: 3 Min.
Der evangelische Theologie-Professor Gerd Lüdemann aus Göttingen ist mit einer Verfassungsbeschwerde gegen seinen Abzug aus der Ausbildung des theologischen Nachwuchses gescheitert.

Weil er sich vom christlichen Glauben lossagte, habe er seinen Lehrstuhl für das Fach Neues Testament zu Recht verloren, entschied das Bundesverfassungsgericht (Az: 1 BvR 462/06). Die Versetzung aus der theologischen Fakultät in Göttingen in das konfessionslose und nicht prüfungsrelevante Fach Geschichte und Literatur des frühen Christentums befanden die Verfassungsrichter für rechtens.

Der heute 62-Jährige hatte sich damals in Interviews und Veröffentlichungen öffentlich vom christlichen Glauben distanziert. Er stellte mehrfach zentrale Dogmen der Bibel in Frage. So erklärte Lüdemann unter Berufung auf wissenschaftliche Quellen, Christus habe am Tag seiner Auferstehung gar nicht im Grab gelegen. Auf Drängen der Kirche versetzten die Göttinger Universität und das niedersächsische Wissenschaftsministerium den Professor daraufhin aus der Theologischen Fakultät, entzogen ihm die Prüfungserlaubnis und strichen ihm Mittel für die Forschung.

Lüdemann pochte auf die Freiheit der Wissenschaft und verlangte die Rückkehr auf seinen alten Lehrstuhl für Neues Testament. Zuspruch erhielt er vor allem von Theologen aus den USA. Er zog vor Gericht, verlor aber in allen Instanzen bis zum Bundesverwaltungsgericht. Mit dem Karlsruher Richterspruch ist der Rechtsstreit nun endgültig entschieden.

Dem gestern veröffentlichten Urteil zufolge kann das Amt eines Hochschullehrers an einer theologischen Fakultät an das jeweilige Bekenntnis geknüpft werden. Die Funktion der Fakultät, nämlich Forschung und Lehre, wird »gefährdet, wenn die Ausbilder öffentlich nicht mehr an den Glaubensüberzeugungen der Kirche festhalten«. Dies gelte gerade in einem Kernfach wie »Neues Testament«. Es dürfe »nicht Sache des religiös-weltanschaulichen Staates sein, über die Bekenntnisgemäßheit (sic!) theologischer Lehre zu urteilen«, betonte der in der Sache zuständige Erste Senat des Verfassungsgerichtes. Auch wenn die Versetzung eines Professor wegen seiner Meinung einen schweren Eingriff in die Wissenschaftsfreiheit bedeute, sei das Selbstbestimmungsrecht der Religionen doch höher zu bewerten.

Lüdemann bedauerte gestern die Entscheidung. An seiner Auffassung, dass Theologie an der Universität wie jede andere akademische Disziplin auch frei sein müsse, halte er aber fest. An weitere Rechtsmittel, wie etwa eine Beschwerde beim Europäischen Gerichtshof, denkt Lüdemann nach eigenen Angaben derzeit nicht. »Nein, nach mehr als zehn Jahren ist es genug», sagte er auf Anfrage.

Der Wissenschaftler will sich weiter »unbeirrt und voller Begeisterung der historischen Kritik des Neuen Testaments und der übrigen frühchristlichen Literatur widmen«. Obwohl nur wenige Studenten seine Seminare besuchen, hatte Lüdemann seine publizistischen Aktivitäten und öffentlichen Äußerungen bisher nicht eingeschränkt. Auf Veranstaltungen kritisierte er Teile des Neuen Testaments als antisemitisch. Angst vor großen Namen kennt Lüdemann nicht. In seinem Buch »Das Jesusbild des Papstes« kritisierte er die Auffassungen von Papst Benedikt XVI. als intellektuell unredlich. Die Darstellung des Papstes von Jesus entspreche nicht der historischen Wirklichkeit. Benedikts »kühner Umgang mit den neutestamentlichen Quellen hätte vor keiner unabhängigen historischen Kommission Bestand«.

#ndbleibt – Aktiv werden und Aktionspaket bestellen
Egal ob Kneipen, Cafés, Festivals oder andere Versammlungsorte – wir wollen sichtbarer werden und alle erreichen, denen unabhängiger Journalismus mit Haltung wichtig ist. Wir haben ein Aktionspaket mit Stickern, Flyern, Plakaten und Buttons zusammengestellt, mit dem du losziehen kannst um selbst für deine Zeitung aktiv zu werden und sie zu unterstützen.
Zum Aktionspaket

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal