Drogenprobleme am Kotti eskalieren

Bürgerinitiative lädt für Freitag zu großer Podiumsdiskussion

  • Christoph Villinger
  • Lesedauer: 3 Min.
Bloßes »Aufräumen« löst die Probleme am Kotti nicht. Zwischenebene im U-Bahnhof.
Bloßes »Aufräumen« löst die Probleme am Kotti nicht. Zwischenebene im U-Bahnhof.

»Dealer raus aus Kreuzberg« forderten am vergangenen Samstag am Kottbusser Tor rund fünfzig jüngere und ältere Menschen meist türkischer Herkunft. »Junkies bleiben – Yuppies vertreiben« riefen ihnen andere entgegen, die nach ihrem Aussehen eher der autonomen Szene nahe stehen. Doch alsbald löste sich die Demonstration in erregte Diskussionsgrüppchen auf, begleitet von einigen Lokalpolitikern und etlichen Kameras der diversen TV-Sender. Und bald war auch manchem Beteiligten klar, dass mit »Raus ...«-Rufen am Kottbusser Tor nichts zu lösen ist.

Seit letzten Sommer, als ein nahegelegenes Parkhaus als Versteck für Drogendealer und Konsumenten von den Eigentümern geschlossen wurde, eskaliert die für alle sichtbare Situation am »Kotti«. Insbesondere die Plätze vor den U-Bahneingängen und die Zwischen- ebenen des U-Bahnhofs sind mehr oder weniger offene Drogenumschlagplätze. Für die Bürgerini-tiative »Drogen weg vom Kottbusser Tor« ist die Lage »kurz vor einer Explosion«, weil eher rechtsstehende Väter die Probleme »gewaltsam lösen wollen«, wie der Sozialarbeiter Ercan Yasaroglu sagt. Wenn Ende März auch noch die Druckräume in der Dresdener Straße schließen, befürchtet er eine weitere Eskalation. Dort können sich vier Stunden am Tag Konsumenten unter hygienischen Bedingungen ihre Drogen spritzen.

Deshalb sucht Bezirksbürgermeister Franz Schulz (Grüne) verzweifelt seit Monaten nach einem Ersatzstandort in der Nähe des Kottbusser Tors. Doch viele Hausbesitzer verzichten lieber auf Miet-einnahmen, als sich die mit dem Drogenkonsum verbundenen sozialen Probleme ins Haus zu holen. So rufen auch die meist türkeistämmigen Bewohner und Eigentümer der Kottbusser Straße 8, darunter Cem Özdemir, neuer Bundesvorsitzender der Grünen, nicht begeistert »Hier!«, als Schulz sie am Samstag eher beiläufig auf einen bald leerstehenden Laden in ihrem Haus hinweist. Inzwischen kursieren allerlei Vorschläge, wo man Fixerstuben und Sanitäranlagen installieren könnte, so auf der Mittelinsel des Kreisverkehrs am Kottbusser Tor oder auf dem Platz vor dem Ostbahnhof oder in einer der leerstehenden Bahnbaracken im Görlitzer Park. »Warum nicht mit den Junkies und den Dealern vor den Reichstag«, forderte am Samstag eine ältere türkeistämmige Frau aus der Anwohnerinitiative »Mütter ohne Grenzen«, die schon seit Jahren auf das Problem aufmerksam zu machen versucht.

Doch die Initiative »Wir bleiben Alle!«, in der etliche autonome Hausprojekte aus der Innenstadt zusammengeschlossen sind, widerspricht den Forderungen, »das Drogenproblem als Sicherheitsproblem zu sehen«. Für sie ist es, wie sie in einem Flugblatt schreiben, »ein gesundheitliches Problem, das durch gesellschaftliche Zustände verursacht wird«. Sie befürchten, dass wenige Jahre nach einer Vertreibung der Junkies sich die jetzt so empörten Bürger in den Randbezirken der Stadt mit den Drogenkonsumenten wiedertreffen werden, weil erfahrungsgemäß durch die mit einer Vertreibung der Junkies verbundene Aufwertung bald niemand mehr die Mieten bezahlen könne.

Für Freitag lädt nun die Bürgerinitiative »Drogen weg vom Kottbusser Tor« zu einer Podiumsdiskussion in den Festsaal Kreuzberg (um 19 Uhr, Skalitzer Straße 130), um nach Lösungen »für ein lebenswertes Kreuzberg« zu suchen. Cem Özdemir hat bereits als Moderator zugesagt, allerlei Politiker bis hin zum Polizeivizepräsidenten Gerd Neudeck sind eingeladen.

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