Kein Bock auf den rechten Mob

In Friedrichshain demonstrierten erneut 1500 Menschen gegen den »Thor-Steinar«-Outlet

  • Martin Kröger
  • Lesedauer: 4 Min.
Bunt und fröhlich – in der Botschaft aber unmissverständlich: Teilnehmer der Kiezparade.
Bunt und fröhlich – in der Botschaft aber unmissverständlich: Teilnehmer der Kiezparade.

»Der Mann sieht aber lustig aus.« Die fünfjährige Smilla Hartmann muss lachen, als ein Jugendlicher im Elchkostüm mit Hörnern auf dem Kopf vorbeigetanzt kommt. Rund um das kleine Mädchen, die mit ihrer Mutter zur Parade »Kein Kiez für Nazis!« in Friedrichshain gekommen ist, tanzen und laufen am Sonnabend rund 1500 Demonstranten. Im Vergleich zu den anderen Aufzügen, die sich an den vergangenen Wochenenden gegen den Laden, der die bei Neonazis beliebten Klamottenmarke »Thor Steinar« verkauft, richteten, ist das Bild der Kiezparade deutlich bunter: Luftballons und Seifenblasen kreisen über den Protestierenden, von denen viele wie der Elch-Jungendliche kostümiert sind oder sich angemalt haben. Aus den Boxen von fünf verzierten Lkw wummert basslastige elektronische Musik.

»Der Protest ist immer am stärksten, wenn sich alle zusammentun: Skater, Verwaltungsbeamte, Politiker, Künstler, Nachtschwärmer, Linke, Anwohner und alternative Jugendliche«, meint Erik Pikur von der Hedonistischen Internationale. Die Gruppe, bei der auch viele Clubbetreiber aus dem Nachtleben mitmachen, hatte bereits 2006 erfolgreich zwei solcher Kiezparaden organisiert. Der Grund war damals wie heute derselbe: Auch nach den jüngsten Zahlen der Opferberatungsstelle Reach Out liegt Friedrichshain weiter mit Abstand an der Spitze der rechtsextremen Übergriffe in Berlin. »Organisierte Neonazis und ihr rechter Hooligananhang haben sich den eher alternativen Bezirk am Wochenende für ihre Überfälle auserkoren«, sagt Erik Pikur. Mit der Eröffnung des Thor-Steinar-Outlets am Frankfurter Tor würde sich diese gefährliche Tendenz noch verschärfen, befürchten wie er viele, die auf die Parade gekommen sind.

Dass der Vermieter dem »Tromsø« in der vergangenen Woche gekündigt hat, wird auf der Kiezparade indes ausführlich gefeiert. Nur gibt sich niemand der Illusion hin, dass der Laden damit wirklich in kurzer Zeit verschwinden wird. Wie in Mitte, wo ein ähnliches Geschäft in der Rosa-Luxemburg-Straße existiert, wird es zu einem langen Rechtsstreit kommen, vermuten dagegen viele. Dennoch: »Es ist ein Erfolg, dass jetzt auch juristisch gegen den Laden vorgegangen wird«, sagt der Bundestagsabgeordnete Christian Ströbele (Grüne). Ein Fortschritt, der seiner Meinung nach ohne den permanenten Druck auf der Straße undenkbar gewesen wäre. Inzwischen wird gegen den Ladenbetreiber auch wegen der »Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener« ermittelt. Ein SPD-Lokalpolitiker hatte die Anzeige gestellt, da sich das Geschäft in unmittelbarer Nähe zum SA-Sturmlokal »Keglerheim« befindet, in dem 1933 Hunderte Antifaschisten von den Nazis gefoltert und drangsaliert wurden.

Wie auch immer die juristischen Prozesse ausgehen mögen, für die Friedrichshainer Initiative gegen Rechts etwa, die sich seit drei Jahren ebenfalls maßgeblich gegen die Neonazis vor Ort stemmt, steht fest, dass der Widerstand weitergehen muss. »Die Kündigung ist kein Grund, mit dem Protest aufzuhören«, sagt die SPD-Abgeordnete Canan Bayram, die die Parade angemeldet hat. Der größte Erfolg der vergangenen Wochen dürfte jedoch sein, dass inzwischen Zehntausende in der Stadt wissen, was sich hinter der Modemarke »Thor Steinar« eigentlich verbirgt.


Die Bekleidungsmarke »Thor Steinar«

»Thor Steinar« gilt als ein Erkennungszeichen rechtsextremer Kreise. Nach Einschätzung des Verfassungsschutzes steht die Marke der Neonazi-Szene nahe. »Thor Steinar« gehört zur Firma Mediatex, die im brandenburgischen Zeesen nahe Berlin sitzt und die Marke 2002 registrieren ließ. Thor ist der germanische Donnergott, der Name Steinar spielt nach einigen Deutungen auf einen General der Waffen-SS, Felix Steiner, an.

Das Symbol von »Thor Steinar« ist eine germanische Rune, die aussieht wie ein Andreaskreuz. Ein älteres Symbol der Firma, das aus zwei Runen bestand, wurde in einigen Bundesländern verboten, da es Nazi-Symbolen ähnelte. Untersagt wurde Mediatex auch, die norwegische Flagge auf ihren Textilien abzubilden, weil sie als staatliches Hoheitszeichen geschützt ist.

Die Firma Mediatex und ihre bisherigen Besitzer distanzieren sich nicht von der rechtsextremen Szene, die ihre Kleidung trägt. Das unterscheidet sie von anderen Herstellern wie »Lonsdale« oder »Fred Perry«, die mit Neonazis nichts zu tun haben wollen. Offenbar gibt es seit neuestem eine Beteiligung eines Investors aus Dubai an »Thor Steinar«, was Rechtsextreme kritisieren. dpa/ND

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