Von der Gewalt in der Geschichte

  • Peter Nowak
  • Lesedauer: 3 Min.

Seit dem Jahr 2000 kann man die Referate der Veranstaltungsreihe der Berliner Jour Fixe Initiative in kleinen Bänden nachlesen, die unregelmäßig im Unrast Verlag erscheinen. Auch im aktuellen Band »Krieg« bleiben die Herausgeber ihrer Maxime treu, das Thema in all seinen Facetten auszubreiten, dabei auf reichhaltige theoretische Traditionen zurückzugreifen und doch allgemein verständlich zu bleiben.

Auf 184 Seiten behandeln neun Aufsätze die unterschiedlichen Formen der Gewalt in der Geschichte. Der französische Philosoph Daniel Bensaid untersucht die Veränderungen im Diskurs über den Krieg in den letzten Jahrhunderten. Dabei zeigt er auf, dass im Gegensatz zum Peleponnesischen Krieg heutige Kriege nicht als Interessenkonflikte wahrgenommen werden, sondern als Kampf um Werte und Zivilisation. In der Figur des »unbegrenzten Krieges gegen den Terrorismus« sieht Bensaid ein Echo »auf den Zusammenbruch der staatlichen Ordnung in der Welt«. So ergiebig seine Analyse im Ganzen ist, überzeugt sie an einzelnen Stellen doch nicht ganz. So wird unter Obama die Formel vom Krieg gegen den Terror nur noch begrenzt verwendet. Und die Spuren der Zivilisationskriege lassen sich bis ins frühe Mittelalter verfolgen. Haben die römischen Legionen nicht auch gegen germanische Barbaren gekämpft? Und waren die Kreuzzüge nicht der Prototyp von Zivilisationskriegen?

Der Rechtsanwalt Wolfgang Kaleck und der Künstler Olaf Arndt untersuchen besondere Aspekte der neuen Kriege des 21. Jahrhunderts. Vor dem Hintergrund von Guantanamo und Abu Ghoreib widmet sich Kaleck der Diskussion um das Feindstrafrecht. Arndt zeigt am Beispiel von London, wie der Kampf gegen den Terror auch das Gesicht einer Stadt verändert. Seit den islamistischen Anschlägen in der U-Bahn im Jahre 2005 stehe der Begriff Londonistan »für die Angst der weißen Bevölkerung vor dem Hass der Fremden, den sie nicht verstehen will«.

Der Schriftsteller und Publizist Raul Zelik macht in seinem Beitrag auf die lange Geschichte des asymmetrischen Krieges aufmerksam. Schon die Niederschlagung der Herero- und Nama-Aufstände Anfang des 20. Jahrhunderts und der Kampf gegen die Guerilla in Lateinamerika seien solch ungleiche Kriege gewesen.

Im letzten Aufsatz setzen sich Elfriede Müller und Titus Engelschall von der Berliner Jour Fix Initiative mit der Rolle der Gewalt in Revolutionen und sozialen Umbrüchen auseinander. Sie wollen »sozialrevolutionäre Gewalt« nicht grundsätzlich verdammen, halten es aber anders als viele Linke in den 60er Jahren nicht mehr für möglich, ihr per se eine progressive Rolle zuzuschreiben. Gewalt könne im 21. Jahrhundert nicht mehr als Motor von revolutionären Prozessen dienen, sondern sei nur noch als Notbremse vor drohenden Kriegen oder faschistischen Diktaturen zu rechtfertigen.

Jour fixe Initiative Berlin (Hg.): Krieg. Münster 2009, 184 Seiten, broschürt, 16 Euro.

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