Zehntausende auf dem Prager Strahov

Tschechische Gewerkschafter forderten mit Kollegen aus anderen Ländern Kampf gegen die Krise

  • Jindra Kolar, Prag
  • Lesedauer: 2 Min.
Etwa 30 000 Gewerkschafter folgten am Samstag dem Aufruf des Europäischen Gewerkschaftsbundes sowie des Tschechisch-Mährischen Gewerkschaftsbundes CMKOS zu einer Demonstration auf dem Strahov. Wie die Protestmärsche in Madrid, Brüssel und Berlin stand auch hier die Aktion der Gewerkschaften unter dem Motto: »Die Krise bekämpfen – für einen Sozialpakt in Europa«.
PRAG: Jung und Alt geeint im Protest vor dem Schloss.
PRAG: Jung und Alt geeint im Protest vor dem Schloss.

Auf der Kundgebung vor dem Strahover Stadion forderte der CMKOS-Vorsitzende Milan Stech die Wirtschaft auf, die jetzige Krise »nicht auf dem Rücken der Werktätigen« auszutragen. Der Gewerkschaftschef kritisierte scharf das noch von der inzwischen demissionierten Regierung Topolanek verabschiedete Arbeitsgesetz, das es Unternehmen erleichtert, Arbeitsplätze aus wirtschaftlichen Gründen einzusparen. Zugleich kritisierte Stech die Einführung einer »Greencard« in Tschechien, die es erlaube, Arbeiter aus dem Ausland für einen geringeren Lohn als Einheimische zu beschäftigen. Mit dieser Maßnahme habe die Regierung die Tarifpolitik der Gewerkschaften unterlaufen.

Stech appellierte an die Verantwortung des Präsidenten der Republik, Vaclav Klaus, sowie an die der Übergangsregierung, wirksame Maßnahmen zu ergreifen, die die Folgen der Krise für die Werktätigen mildern sollen. Die Gewerkschafter forderten in diesem Zusammenhang die Abschaffung des vom damaligen Ministerpräsidenten Topolanek gegründeten Nationalen Wirtschaftsrates für die Regierung (NERV). Dieser Rat betreibe die Lobbypolitik der konservativen Bürgerpartei (ODS) – dies könne für die Werktätigen nicht gut sein, betonte Stech.

Zu der Kundgebung waren Gewerkschafter aus allen Landesteilen, aber auch aus dem Ausland angereist. So fanden sich auf dem Strahov Gewerkschaftsdelegationen aus der Slowakei und Polen, aus Slowenien und Kroatien, aus Rumänien und Bulgarien ein. Eine Abordnung des österreichischen Gewerkschaftsbundes unter Führung des ÖGB-Vorsitzenden Erich Foglar war bereits in frühen Morgenstunden in der tschechischen Hauptstadt eingetroffen.

In seiner Rede forderte der ÖGB-Chef eine strenge Kontrolle der Finanzmärkte, die als »Dienstleister einer Realwirtschaft« dienen müssten. Gerade in Krisenzeiten gelte es, die Sozialsysteme der europäischen Staaten zu stärken. »Wir brauchen ein soziales Europa, in dem der Mensch im Mittelpunkt steht, ein Europa mit einer ordentlichen Lohnpolitik, sicheren Einkommen und einem starken sozialen Wesen«, rief der österreichische Gewerkschaftsvorsitzende unter dem Beifall von Zehntausenden aus.

Bereits bevor die bunten, von Musik begleiteten Demonstrationszüge am Nachmittag vom Hradschinplatz und vom Malteser Platz zum Strahov zogen, hatte es Protestkundgebungen der Gewerkschaften in der Prager Innenstadt gegeben. Auf dem Malteser Platz hatten sich etwa 10 000 Angehörige des Schulgewerkschaftsverbandes versammelt. Gemeinsam mit Kollegen aus der Slowakei, Ungarn und Bulgarien demonstrierten sie vor dem tschechischen Bildungsministerium gegen die Kürzung von Haushaltsmitteln für Bildung gerade in den Krisenzeiten.

Lehrer und Pädagogen protestierten gegen zu geringe Löhne. Die gerade erst vom neuen Finanzminister für 2010 angekündigte Haushaltkürzung von zehn Prozent für das Ressort würde diese Situation noch verschlimmern. »Wird dieser Haushalt angenommen, so ist das der Kollaps für unser Schulwesen«, erklärte der mährische Sekretär des Schulgewerkschaftsverbandes, Frantisek Dobsik.

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