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... so viel geweint

Exiliraner in Berlin mit großen Hoffnungen

  • Pedram Shahyar
  • Lesedauer: 2 Min.

In Berlin gibt es ca. 10 000 Exiliraner, in Deutschland über 100 000. Die große Fluchtwelle begann Mitte der 80er, als das Abschlachten der Linken und der Opposition in Iran auf Hochtouren kam. Die Gemeinde war zunächst sehr links und unter dem Einfluss kommunistisch orientierter Organisationen. Nach 1989 zerfielen die Gruppen. Nicht nur das Scheitern des kommunistischen Projekts zehrte die Linke auf. Der Druck des Alltags und fehlende Perspektiven einer Wende im Iran ließen den Exilaktivismus erlahmen.

In diesen Tagen ist die Hoffnung für den Iran so stark wie noch nie seit den großen, aber kurzen Monaten der Freiheit nach der Revolution 1979, und die Exilgemeinde ebenfalls so agil wie noch nie. Das Bild auf den Demos prägen diesmal Jugendliche. Es ist die zweite Generation, die in Deutschland geboren oder aufgewachsen ist. Bisher war sie völlig unpolitisch und sehr auf Karriere bedacht, und sie trifft zusammen mit der Fluchtwelle studentischer Aktivisten aus dem Iran. In Berlin haben sich zwei Gruppen gebildet, und neue kommen gerade dazu.

Die stärkere Gruppe, die auch kürzlich eine Demonstration mit 3000 Teilnehmern organisierte, hat ihren Sitz in Steglitz. Es ist die Wohnung eines linken Aktivisten, die in eine Art Hauptquartier verwandelt ist. Unter ihnen ist die Tochter eines der Oppositionellen, die 1992 im Restaurant Mykonos in Berlin im Auftrag des iranischen Geheimdienstes ermordet wurden. Es gibt kaum einen jungen Iraner aus einem linken Umfeld, der keine Hinrichtungen in der Familie zu beklagen hat. Es sind aber auch Leute dabei, die zum Studieren oder Promovieren hergekommen sind. Vereinzelt sind auch Kader aus der neuen jungen Linken Irans dabei, die nach vielen Gefängnis- und Foltererfahrungen dann doch aus dem Iran fliehen konnten.

Die Gruppe ist politisch sehr differenziert, aber ein linker und rebellischer Diskurs ist wieder erstarkt. Die große Demo war für viele auch ein kleiner Durchbruch. Die Gemeinde in Berlin war in den letzten Jahren massiv nach rechts gerückt. Sie setzte rein auf moderate Reformen. Doch am letzten Sonntag, auch in Anbetracht der Ereignisse im Iran und unter Einfluss der jüngeren Generation, erlebte Berlin die radikalste Iraner-Demo seiner Geschichte. Dass Ulla Jelpke von der Linksfraktion dort sprach, die Grünen-Chefin Claudia Roth eine begeisternde Rede hielt und der Lautsprecherwagen aus dem Umfeld von Attac kam, bedeutet eine Ermutigung der Linken in der iranischen Gemeinde. Man hat in Berlin sicher selten so eine lautstarke Demonstration erlebt, aber sicher auch keine, auf der so viel geweint wurde.

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