Zapfenstreich-Gegner vor Gericht

Ab heute steht ein Dresdner Antimilitarist vor Gericht – wegen eines Aufklebers, auf dem auch Nazi-Symbole zu sehen sind

  • Felix Werdermann
  • Lesedauer: 3 Min.
Es klingt absurd: Einem Kriegsgegner wird die Abbildung zweier SS-Runen vorgeworfen, weil die sich auf einem Aufkleber befinden, der sich gegen den Krieg wendet.

Vor zwei Jahren hat der Bundesgerichtshof festgestellt, dass die Darstellung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen ohne Strafe bleibt, wenn offensichtlich ist, dass diese Gruppierungen abgelehnt werden. Trotzdem muss sich ein Kriegsgegner ab dem heutigen Montag vor dem Amtsgericht Dresden verantworten – wegen genau dieses »Delikts«. Im Jahr 2006 feierte die Bundeswehr das 800jährige Bestehen der Stadt Dresden mit einem Großen Zapfenstreich. Antimilitaristen riefen zum Protest gegen die Zeremonie des Militärs. Das Landeskriminalamt fand auf der Mobilisierungs-Website der Kriegsgegner ein Aufkleber-Motiv, das jetzt zum Zankapfel wird. Aufschrift: »Den Zapfenstreich-en! Wider der Militarisierung des Alltags!« Darunter sind sechs Soldaten abgebildet, auf einem Helm ist das Emblem der Nazi-SS, die Doppelsigrune zu sehen. Heute ist dieses Zeichen von einem »Zensiert«-Balken verdeckt – denn die Staatsanwaltschaft hat Anklage erhoben wegen Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen.

Der beschuldigte Internetseiten-Betreiber und Kriegsgegner Jörg Eichler weiß nicht, was er davon halten soll: »Ich finde das natürlich total empörend und erschreckend, aber irgendwie auch total peinlich und lächerlich.«

Vor zwei Jahren hatte der BGH den Internet-Versandhandel »Nix Gut« freigesprochen, der auch Anstecker mit durchgestrichenem Hakenkreuz vertreibt. Begründung: Nazi-Kennzeichen bleiben ohne Strafe, wenn »sich bereits aus ihrem Inhalt in offenkundiger und eindeutiger Weise ergibt, dass sie in einem nachdrücklich ablehnenden Sinne gebraucht werden«.

Laut Staatsanwaltschaft trifft das aber nicht auf den Dresdner Fall zu. In der Anklageschrift, die dem ND vorliegt, heißt es: »Die in der Darstellung enthaltenen Worte ›Wider der Militarisierung des Alltags‹ enthalten keine erkennbare Distanzierung zu SS und NS-Gut.« Zudem sei kein Zusammenhang zwischen Waffen-SS und Zapfenstreich erkennbar, weil sich die Nazi-Kampforganisation nicht an dem Militärritual beteiligt habe.

»Das ist schlicht eine unzutreffende Behauptung«, sagt der Beschuldigte Eichler. Beim militärgeschichtlichen Forschungsamt in Potsdam heißt es, den Begriff des Zapfenstreichs habe es auch schon vor 1945 gegeben. Der Zapfenstreich, den Wehrmacht und SS gespielt haben, unterscheide sich aber vom heutigen durch die Zusammenstellung der Musik.

Für Verteidiger Detlev Beutner ist klar, dass der Bundesgerichtshof Eichler freisprechen würde. »Kämen wir zum BGH, würde ich all mein Geld darauf verwetten, dass wir gewinnen.« Die Staatsanwaltschaft aber nutze den entsprechenden Paragrafen »ganz bewusst als Mittel der politischen Justiz«, weil ihr der Protest gegen staatliche Veranstaltungen »ein Dorn im Auge« sei. »Da steht ganz explizit Ermittlungs- und Verfolgungswille dahinter.«

Bereits die Zulassung des Falls am Amtsgericht findet Beutner skandalös. Entweder sei der Antrag dort »durchgewinkt« worden oder die Behörde besitze einen »hohen Verurteilungswillen«, mutmaßt er. Die zuständige Richterin will sich dazu nicht äußern und verweist gegenüber ND auf die Pressestelle. Dort ist aber genauso wenig zu erfahren. »Ich weiß auch nicht, was im Inneren der Richterin vorgegangen ist«, sagt eine Sprecherin. Dennoch: »Jetzt sollte man erst mal abwarten, ob da ein Schuldspruch rauskommt.«

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