Einigung in Libanon behagt Israel nicht

Regierungsbildung in Beirut nahe / Ehud Barak droht für Konfliktfall mit harter Reaktion

  • Karin Leukefeld
  • Lesedauer: 4 Min.
Während sich gut zwei Monate nach den Parlamentswahlen in Libanon die Bildung einer Regierung abzeichnet, haben israelische Regierungsvertreter dem nördlichen Nachbarn erneut mit Krieg gedroht.

Libanon stehe kurz vor der Bildung einer Regierung der nationalen Einheit, erklärte Parlamentspräsident Nabi Berri vor wenigen Tagen in Beirut. Der Block »14. März« mit dem künftigen Ministerpräsidenten Saad Hariri – dem Sohn des 2005 ermordeten früheren Premierminsiters – habe sich mit der oppositionellen schiitischen Hisbollah geeinigt, in einer gemeinsamen Regierung zu arbeiten. Unklar sei noch, welche Ministerämter von der Hisbollah und anderen Vertretern der Opposition übernommen werden. Klar sei dagegen, dass der »14. März« selbst 15 Minister und die anderen Parteien 10 Kabinettsmitglieder stellen sollten. Weitere fünf Minister werde Staatspräsident Michel Sulaiman direkt ernennen. Grundlage der Entscheidung ist die Doha-Vereinbarung, auf die sich Libanons rivalisierende Lager im vergangenen Jahr geeinigt hatten.

Eine souveräne Regierungsbildung in Libanon scheint Israel jedoch nicht zu behagen. Unter Verweis auf die Hisbollah erklärte der israelische Verteidigungsminister Ehud Barak, in seinem Land werde man nicht zusehen, wenn »in der Regierung eines benachbarten UN-Mitgliedstaates Vertreter einer Miliz sitzen, die mehr als 40 000 Raketen hat«. Sollte an der Grenze zwischen beiden Staaten ein Konflikt auftreten, werde Israel »mit allen notwendigen Mitteln« reagieren. Barak machte unmissverständlich klar, dass Israel im Falle eines neuen Krieges weniger Rücksicht nehmen werde als im Sommer 2006. In dem seinerzeitigen, 34 Tage andauernden Krieg waren 1200 Libanesen getötet und große Teile der libanesischen Infrastruktur zerstört worden. Auf israelischer Seite starben 160 Soldaten und Zivilisten.

Beide Seiten hatten damals der Sicherheitsratsresolution 1701 zugestimmt, die eine Aufstockung der seit 1978 stationierten Interimstruppe der Vereinten Nationen in Libanon (UNIFIL), die Entmilitarisierung des libanesischen Südens und den Rückzug israelischer Truppen aus den besetzten libanesischen Gebieten der Scheeba-Höfe und des Grenzdorfes Ghajar festlegte Die Hisbollah wurde verpflichtet, sich und ihre Waffen hinter den Litani-Fluss zurückzuziehen.

Brigadegeneral Alon Friedman, stellvertretender Chef des israelischen Nordkommandos, hatte der britischen Zeitung »The Times« Anfang August gesagt, die Hisbollah habe sich 40 000 neue Raketen angeschafft, sei inzwischen besser gerüstet als 2006 und trainiere den Angriff auf Tel Aviv. Friedman ließ sich mit den Worten zitieren, der Frieden der letzten drei Jahre könne »jede Minute explodieren«.

Auf die Äußerungen Ehud Barak reagierte Robert Wood, Sprecher des US-amerikanischen Außenministeriums, mit Verständnis. Auch für ihn ist die Hisbollah eine »Bedrohung für Frieden und Sicherheit in der Region«.

Libanons amtierender Außenminsiter Fawzi Salloukh wies die Vorwürfe zurück. Im jüngsten UN-Bericht über die Umsetzung der Resolution 1701 sei mit keinem Wort die Rede von Waffenschmuggel gewesen. Die Waffen der Hisbollah seien zudem eine interne libanesische Angelegenheit.

Tatsache ist, dass Mitte Juli in der entmilitarisierten Zone ein Waffenlager explodierte, das der Hisbollah zugeschrieben wird. Dessen Existenz war zweifelsfrei ein Verstoß gegen die Resolution 1701. Dazu heißt es jedoch in einem UNIFIL-Untersuchungsbericht, dass die dort gefundenen Waffen und die Munition aus den Jahren 1970 bis 1990 stammten und nicht nach 2006 nach Libanon geschmuggelt worden seien.

Nach der Explosion in dem mutmaßlichen Hisbollah-Waffenlager hatte Israel den UN-Sicherheitsrat aufgefordert, das UNIFIL-Mandat zu ändern. Am 27. August entscheidet das Gremium über eine Verlängerung des Einsatzes um weitere sechs Monate. Die Zusammenarbeit der UNIFIL mit Israel und Libanon wurde von Anfang auf harte Proben gestellt. Israel verstößt vielfältig gegen die Resolution. Fast täglich überfliegen israelische Kampfjets, teilweise im Tiefflug, den Süden Libanons. Vor den Wahlen Anfang Juni wurden die Libanesen in Telefonanrufen aus Israel aufgefordert, nicht für die Hisbollah zu stimmen, anderenfalls wählten sie »den Krieg«. »Zionistische Kühe«, wie eine libanesische Zeitung berichtete, waren einem unaufmerksamen Hirten über die Grenze nach Libanon entlaufen, was die israelische Armee (IDF) ohne Rücksprache mit den UNIFIL-Truppen zum Anlass nahm, ebenfalls die Grenze zu überschreiten, um den Rückzug der Kühe militärisch abzusichern. Und der israelische Außenminister Avigdor Lieberman erklärte kürzlich bei einem Besuch in Ghajar, der Ort werde israelisch bleiben: »Es gibt keine Konzessionen, nicht an Libanon, nicht an Syrien.«

Die Resolution 1701 des Sicherheitsrates sieht hingegen vor, dass Israel seine Truppen aus Ghajar abziehen muss.

Die Hisbollah machte anfänglich aus ihrer Skepsis gegenüber den UNIFIL-Truppen keinen Hehl, zumal Äußerungen wie die der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel, die deutsche Marine beteilige sich zum Schutz Israels an der Mission, bis heute für Unbehagen sorgt. Gleichwohl bezeichnete UNIFIL die Beziehung zur Hisbollah als entspannt, im Übrigen ist die Libanesische Armee ihr Ansprechpartner. Nach der Explosion in dem Waffenlager waren die UNIFIL-Soldaten zunächst behindert und teilweise tätlich von »Dorfbewohnern« angegriffen worden, wie libanesische Zeitungen berichteten. Die Hisbollah erklärte später, Munition und Waffen in dem Lager seien alt. Gleichzeitig machte sie deutlich, weiterhin an einer guten Zusammenarbeit mit UNIFIL interessiert zu sein.

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