Ungeliebte Hausaufgabe

Die Koalition will das EU-Gesetz so schnell und so zahm wie möglich

Am Montag wurde in Berlin der erste Entwurf für ein Begleitgesetz zum Lissabon-Vertrag verhandelt. Er enthält allenfalls die Mindestanforderungen aus Karlsruhe.
Aus Sicht der SPD reichen sieben Punkte, um das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Lissabon-Vertrag umzusetzen. Die CSU ging mit doppelt so vielen Punkten in die Verhandlungen über ein neues Begleitgesetz, das von den Karlsruher Richtern gefordert wird. Nun folgte die LINKE mit einem Forderungskatalog von 20 Punkten und macht allein mit dieser Symbolik deutlich, dass für sie weit mehr nötig ist, wenn man den Auftrag aus Karlsruhe ernst nimmt: die Rechte des Bundestags in EU-Fragen zu stärken. Die Punkte umfassen die Verbindlichkeit von Bundestagsentscheidungen, seine Beteiligung an internationalen Verhandlungen, Volksabstimmungen über EU-Vertragsänderungen, eine Zusatzerklärung zum Lissabon-Vertrag wie auch ein neues Verfahren, um Urteile des Europäischen Gerichtshofes vom Grundgesetz aus zu überprüfen.

Die 20 Punkte der LINKEN sind weit entfernt von dem Entwurf für das Begleitgesetz, der am Montag in Berlin zum ersten Mal diskutiert wurde, zunächst in den Fraktionen, dann in der Koalition und schließlich mit der Opposition. Die sechs Seiten, die die Bundestagsverwaltung im Auftrag von SPD und Union erarbeitet hat, sind nicht nur dem Umfang nach, sondern auch inhaltlich bescheiden. Sie enthalten nicht mehr, als in der Koalition unstrittig und mindestens nötig ist. Wobei letzteres aus den Reihen der Linkspartei auch noch bezweifelt wird.

Der Gesetzentwurf sieht vor, dass Bundestag und ggf. der Bundesrat künftig zustimmen müssen, wenn der Vertrag von Lissabon oder Abstimmungsmodalitäten verändert und Kompetenzen der EU erweitert werden sollen. Darüber hinaus wird die Stellung des deutschen Bundestags in Fragen der EU-Alltagspolitik nicht aufgewertet. Hier gibt es die größten Widerstände bei den Fraktionsspitzen von SPD und CDU, die dabei so wirken, als wollten sie auf jeden Fall vermeiden, was ihnen das Verfassungsgericht aufgetragen hat: mächtig mitmischen in Europa, um so die Schwäche des europäischen Parlaments aufzufangen. Stattdessen sorgen sie sich in ihren Statements um die Handlungsfreiheit der Regierungsvertreter in Brüssel oder drängen auf eine schnelle Einigung, um der zweiten Lissabon-Abstimmung in Irland am 2. Oktober mit der deutschen Unterschrift unter den Reformvertrag den Weg zu leuchten.

Der gestrige Tag war der zweite und bereits vorletzte Sitzungsmontag, der für die Vorabsprachen zum Begleitgesetz eingeplant ist. Es soll in Sondersitzungen der Koalitionsfraktionen am 20. bzw. 21. August festgezurrt und am 8. September vom Bundestag beschlossen werden. Nicht mehr viel Zeit – es können also Wetten abgeschlossen werden, wann die CSU einknickt. Denn dass sie den Zeitplan über den Haufen schmeißen könnte, damit rechnet niemand.

Natürlich muss Partei-Chef Horst Seehofer zu Hause in Bayern auch etwas vorweisen können. So gibt es Vermutungen, dass ihm ein Erfolg in der Frage der Zusatzerklärung zum EU-Vertrag gegönnt werden könnte. Die CSU möchte, wie die Linke, mit der Ratifikationsurkunde einen Vorbehalt in Rom hinterlegen, dass der Reformvertrag in Deutschland nur in der Interpretation des Bundesverfassungsgerichts gilt. Das Risiko bei diesem Zugeständnis: Der Zusatz könnte dem Verfassungsgericht neue Eingriffsgründe liefern.

Bei einer entspannteren Sicht auf die Verbindlichkeit von Stellungnahmen des Parlaments wäre auch ein anderer Kompromiss denkbar. Denn wie sehr sie der Regierung Fesseln anlegen wollen, haben schließlich die mit ihr eng verbundenen Regierungsfraktionen in der Hand.

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