Werbung

»Gewalt bestimmt das Handeln der Putschisten«

Botschafter Martínez Castañeda: Berlin fehlt klare Position

  • Lesedauer: 5 Min.
»Gewalt bestimmt das Handeln der Putschisten«

ND: Herr Botschafter, Sie haben sich gegen den Putsch positioniert, der am 28. Juni gegen Präsident Manuel Zelaya stattgefunden hat. Welche Konsequenzen hatte das für Sie?
Castañeda: Zwei grundlegende: Erstens wurde ich in einem rechtswidrigen Akt durch das Putschregime meines Postens enthoben. Zweitens wurden alle Zahlungen eingestellt. Es gibt seither weder finanzielle Mittel aus Honduras für die Botschaft noch für mich.

Wie haben die übrigen Botschaften Ihres Landes reagiert?
Die Reaktionen waren sehr unterschiedlich. Meine Kollegen bei der Organisation Amerikanischer Staaten und bei den Vereinten Nationen haben sich umgehend für die verfassungsmäßige Regierung und gegen die Putschisten positioniert. Der Botschafter in Washington hat sich für den Putsch ausgesprochen und wurde von Präsident Zelaya entlassen. In Lateinamerika haben die Botschafter in Mexiko, Guatemala, Panama, Venezuela und Ecuador den legitimen Präsidenten verteidigt. Die Botschafter bei der EU und in Spanien verteidigen das Putschregime. Ihnen wurde von Präsident Zelaya gekündigt. Die übrigen Botschafter in der EU bewahren ein komplizenhaftes Schweigen. Ich selbst stehe uneingeschränkt auf der Seite des rechtmäßigen Präsidenten. Mein Kollege in Paris und ich sind wegen dieser Positionierung von den Machthabern »entlassen« worden – was, wie alle Handlungen dieses Regimes, keine Rechtskraft besitzt.

Gibt es innerhalb Ihrer Botschaft eine klare und einheitliche Haltung?
Nein, definitiv nicht. Aber ich bin der Chef dieser diplomatischen Mission und der legitime Botschafter. Meine Position ist ausschlaggebend.

Als Botschafter standen Sie lange mit der FDP-nahen Friedrich-Naumann-Stiftung in Kontakt. Wie sehen Sie deren Engagement für das Putschregime?
Meiner Meinung nach hat diese Stiftung einen schweren Fehler begangen, als sie sich öffentlich für den Staatsstreich ausgesprochen hat. Natürlich haben sie das Recht, sich zu positionieren. Aber eine deutsche Parteistiftung darf nicht aktiv in einen internen politischen Prozess eingreifen, wie es hier geschieht. Das Bild der Naumann-Stiftung wird in Honduras – und wohl auch in Deutschland – einen nachhaltigen Schaden davontragen.

Ist das Vorgehen der Naumann-Stiftung mit demokratischen Prinzipien zu vereinbaren?
Auf keinen Fall. Es sei denn, man betrachtet es als demokratisch und legal, die Wohnräume des gewählten Präsidenten von schwer bewaffneten Soldaten stürmen und den Staatschef im Pyjama außer Landes schaffen zu lassen. Wenn dies in Deutschland mit Bundeskanzlerin Angela Merkel oder Bundespräsident Horst Köhler geschehen würde – wie würde das wohl aufgenommen werden? Ich halte es für wichtig, dies festzuhalten: Die Verschleppung des Präsidenten war die Ursünde dieses Regimes. Die Gewalt, mit der es die Macht an sich gerissen hat, bestimmt seither sein Handeln. Deswegen ist die Haltung der Friedrich-Naumann-Stiftung ein solch schwerwiegender Fehler: Die Stiftung unterstützt derzeit ein Regime, das seine Herrschaft auf Gewalt und Militärverbrechen stützt.

Das deutsche Außenministerium spricht nicht von einem Putsch, sondern von der »Festnahme« und »Exilierung« Präsident Zelayas. Ist das ausreichend?
Ich habe das Geschehen am 28. Juni als die Ursünde dieses Regimes bezeichnet. Wäre es dabei geblieben, könnte man diese Interpretation des deutschen Außenamtes als eine gültige akzeptieren. Nach offiziellen Angaben gab es aber zwölf politische Morde und die Dunkelziffer ist weitaus höher. Menschen sind Opfer von Folter geworden, es gibt hunderte Verletzte, hunderte Inhaftierte. Das honduranische Volk befindet sich im ständigen Kampf gegen dieses illegitime Regime. Organisationen der Zivilgesellschaft, Gewerkschaften, Parteien und ganze Familien gehen täglich auf die Straße. Man kann doch nicht so tun, als ob all dies nicht stattfinde. Wenn man versucht, das Problem in Honduras auf der linguistischen Ebene zu umgehen oder gar zu verdecken, dann kommt das dem Versuch gleich, Krebs mit Aspirin zu behandeln. Zu-mal die Gefahr eines regionalen Konfliktes groß ist.

Was erwarten Sie von der Bundesregierung über die bisherige Stellungnahme hinaus?
Eine klare Position für die Demokratie und gegen den Staatsstreich. Ich erwarte diese Position von Deutschland als Nationalstaat und als Mitglied der Europäische Union. Die Bundesregierung muss die rechtmäßige und verfassungsmäßige Regierung in Honduras unterstützen. Vor allem aber hoffe ich, dass Honduras, wenn die demokratische Ordnung wieder hergestellt ist, weiter die Entwicklungshilfe und die Unterstützung im Kampf gegen die Armut aus Deutschland und aus der EU erhält. Besonders Entwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul hat Honduras seit dem verheerenden Hurrikane Mitch 1998 sehr unterstützt. Im Namen der verfassungsmäßigen und legitimen Regierung, vor allem aber im Namen des honduranischen Volkes, das ich zu meiner Ehre in Deutschland vertreten darf, möchte ich mich dafür bedanken.

Roberto Martínez Castañeda wurde 2006 zum Botschafter von Honduras in Deutschland berufen. Der 61-jährige Sozial- und Politikwissenschaftler studierte in den USA, der Schweiz sowie Österreich und spricht mit Englisch, Französisch, Italienisch und Deutsch vier Fremdsprachen. Über die verzwickte politische Lage in Honduras seit dem Putsch gegen den rechtmäßigen Präsidenten Manuel Zelaya sprach mit ihm in Berlin Harald Neuber.


Der Gang nach Den Haag

Zwei Monate nach dem Putsch in Honduras bereiten Juristen im Auftrag der »Nationalen Widerstandsfront gegen den Staatsstreich« eine Anklage vor. Wie die kubanische Nachrichtenagentur Prensa Latina berichtet, sollen Putschistenführer Roberto Micheletti und Armeechef Romeo Vázquez Velázquez vor dem Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag wegen zahlreicher Menschenrechtsverbrechen belangt werden.

Vorbereitet wird die umfassende Klageschrift von einem Juristenteam unter Leitung des honduranischen Strafrechtlers Rássel Tomé. Nach seinen Angaben sollen von mehreren Organisationen Einzelberichte über Repressionsfälle erstellt werden. Eingebunden seien unter anderem Frauenorganisationen. Studentengruppen, Gewerkschaften und Parlamentarier. Seit dem Staatsstreich am 28. Juni hatten bereits mehrere internationale Delegationen diese Anklagen dokumentiert. Bestätigt wurden die Vorwürfe auch von der US-amerikanischen Organisation Human Rights Watch und von der Interamerikanischen Menschenrechtsorganisation. Das Putschistenregime, das von Micheletti angeführt und von Armeechef Vázquez Velázquez gestützt wird, widerspricht all diesen Vorwürfen.

Hilfe erhoffen sich die Aktivisten der Demokratiebewegung nun auch von dem spanischen Strafrichter Baltasar Garzón. Der 53-Jährige hatte sich am Montag dieser Woche in Tegucigalpa im Rahmen einer Konferenz über das internationale Strafrecht entschieden gegen den Umsturz ausgesprochen.

Vor dem Internationalen Strafgerichtshof können Delikte wie politische Morde, Folter, politisch motivierte Gewalt gegen Frauen und andere Formen der Unterdrückung oppositioneller Organisationen durch staatliche Akteure zur Anklage gebracht werden. hneu

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal