nd-aktuell.de / 09.09.2009 / Politik / Seite 6

Althaus' Wahlkampfhilfe für die CDU

Thüringer Tollhaus: Noch-Ministerpräsident will seine Amtsgeschäfte nicht übergeben haben

Peter Liebers
Thüringens Noch-Ministerpräsident Dieter Althaus (CDU) hat sich gestern in seiner Regierungspressekonferenz in Widersprüche verwickelt und endgültig selbst demontiert. Sein Parteivorstand schuf derweil Tatsachen.

Althaus, der am Donnerstag voriger Woche plötzlich untergetaucht war, hat gestern wieder die Kabinettssitzung in Erfurt geleitet. Das sei notwendig gewesen, weil eine Reihe wichtiger Entscheidungen zu treffen war, sagt er im Anschluss auf einer Pressekonferenz in der Staatskanzlei. Es sei unter anderem um die Bundesratssitzung zum Haushalt gegangen.

Das alles aber interessierte keinen in dem berstend vollen Raum. Erst als Althaus anhob, über seinen Rücktritt zu sprechen, wurden die Stifte gezückt. Er habe natürlich gewusst, dass er laut Verfassung bis zur Wahl einer neuen Regierung das Amt geschäftsführend ausüben muss, teilte er den überraschten Journalisten mit. Er kenne schließlich die Verfassung.

Für seinen Rücktritt, so Althaus, habe er persönliche Gründe. Drei wolle er nennen. Er übernehme damit die Verantwortung für das schlechte Wahlergebnis und wolle den Weg für unbelastete Sondierungsgespräche und eine Koalition mit der SPD frei machen, damit Thüringen den bisherigen guten Weg fortsetzen könne. Das seien doch politische Gründe, er solle die persönlichen nennen, bat eine Journalistin. Althaus aber repetierte das schon Genannte. Mehrmalige Nachfragen halfen nicht. Ob er wie am Vortag gemeldet Urlaub hatte, war eine weitere Frage. Nein, er sei zu Hause gewesen und habe seine Arbeit gemacht. Er habe die Post erledigt und ständigen Kontakt mit der Staatskanzlei gehalten. Warum habe er dann seine Amtsgeschäfte an seine Stellvertreterin, Finanzministerin Birgit Diezel, übergeben. »Ich habe meine Amtsgeschäfte nicht übergeben«, versicherte Althaus. Es gebe kein Schriftstück und kein Telefonat.

Diezel hatte allerdings am vorigen Donnerstagabend in Erfurt vor der Presse erklärt, einen sehr persönlichen Brief von Althaus erhalten zu haben, in dem er sie gebeten habe, die Geschäfte zu übernehmen. Sie sei von dem Rücktritt überrascht worden und sei sehr betroffen, fügte sie an. Ob Diezel und Staatskanzleichef Klaus Zehn, der Ähnliches verkündet hatte, denn gelogen haben, wollte ein Journalist wissen. Da müsste er sie selbst fragen, war die laxe Antwort. Er habe Diezel nur gebeten, die Abwesenheitsvertretung zu übernehmen, das sei so üblich, verkündete Althaus und geriet gleich wieder mit sich selbst in Konflikt. Wenn er gearbeitet habe, sei doch die Vertretung unnötig. Er habe doch nicht gearbeitet, beschied der Regierungschef die verdutzten Reporter und fügte an: »Ich würde das genau so wieder machen«. Immerhin räumte Althaus ganz gegen seine Gewohnheit ein, dass die Position der CDU »weiter schwierig« sei. Zum Vorschlag der Vize-CDU-Landeschefin, Birgit Diezel, Fraktionschefin Christine Lieberknecht solle Ministerpräsidentin werden, wollte er sich nicht äußern. Vermutlich hatte er deren Äußerung, die Ära Althaus sei beendet, nicht verdaut.

Für Kenner der CDU-Politik ist das alles nicht so neu. In der Regierungszeit von Althaus hatte das Landesverfassungsgericht mehrere Gesetze und Entscheidungen der Regierung als verfassungswidrig gerügt und Korrekturen verlangt. Ein Grund, warum der Ministerpräsidentenkandidat der LINKEN, Bodo Ramelow, die Vorgänge um Althaus gar nicht lustig findet. Immerhin demontiere die CDU das Verfassungsorgan Regierung. »Ich kann das nur noch als bizarr bezeichnen«, sagte Ramelow gegenüber ND. In Berlin lachten inzwischen alle Parteien über Thüringen. Für den Chef der LINKE-Fraktion im Landtag, Dieter Hausold, ist die CDU völlig konfus. Sollte Lieberknecht Ministerpräsidentin werden, bedeute das die Fortführung des bisherigen Systems CDU.

Ungeachtet der Peinlichkeiten vom Vormittag unterstützte der CDU-Vorstand in Erfurt am gestrigen Abend die Kandidatur von Lieberknecht als Regierungschefin einer schwarz-roten Koalition.