Hausbau mit »Billigung staatlicher Stellen« – laut BGH Grundstücksnutzung rechtmäßig

Sachenrechtsbereinigung – aktuelle Probleme

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Auch mehr als 15 Jahre nach dem Erlass des Sachenrechtsbereinigungsgesetzes (SachenRBerG) am 21. September 1994 spielen Sachenrechtsbereinigungsansprüche noch immer eine Rolle. (Das Gesetz regelt kurz gesagt Rechtsverhältnisse an Grundstücken, auf denen zu DDR-Zeiten vom Bodeneigentum getrenntes selbstständiges Eigentum an Gebäuden entstanden ist. Der Gebäudeeigentümer und Nutzer des Grundstücks kann wählen zwischen Erbbaurecht und Ankauf des Grundstücks – d. Red.)

Von erheblicher Bedeutung ist dabei die Regelung des § 10 Abs. 2, Satz 2 SachenRBerG: Danach wird zugunsten des Nutzers vermutet, dass die bauliche Nutzung des Grundstücks mit Billigung staatlicher Stellen (zu DDR-Zeiten – d. Red.) erfolgt ist, »wenn in einem Zeitraum von 5 Jahren nach Fertigstellung des Gebäudes vor Ablauf des 2. Oktober 1990 eine behördliche Verfügung zum Abriss nicht ergangen ist«. Diese Billigung staatlicher Stellen ist wiederum eine wichtige Voraussetzung für das Bestehen von Sachenrechtsbereinigungsansprüchen.

Hierzu hat der BGH in einer Entscheidung vom 03. Juli 2009 (Az. V ZR 220/08) unter Anknüpfung an frühere Spruchpraxis eindeutig festgestellt, dass die Frist mit der Fertigstellung des Gebäudes beginnt. Diese Regelung knüpft an § 11 Abs. 3 der Verordnung über Bevölkerungsbauwerke vom 8. November 1984 (GBl. der DDR I S. 433) an. Danach konnte der Abriss eines Bauwerks nicht mehr verlangt werden, wenn seit seiner Fertigstellung 5 Jahre vergangen waren. Der BGH lässt offen, ob das in der DDR als sogenannte Kenntnisfrist verstanden wurde, die also erst ab Kenntnis der zuständigen Organe von der Errichtung des Bauwerks an läuft. Dafür bietet allerdings die Formulierung der Regelung keine Anhaltspunkte.

Der BGH betont, dass die Vermutung des § 10 Abs. 2 Satz 2 SachenRBerG den Nachweis erleichtern soll, dass eine bestehende Grundstücksnutzung nach den DDR-typischen Gegebenheiten als rechtmäßig angesehen wurde. Dieser Schutz würde weitgehend leerlaufen, wenn die Frist als eine Kenntnisfrist angesehen würde, weil der Nutzer in aller Regel nicht nachweisen kann, ob und wann die zuständige staatliche Stelle Kenntnis von dem Bauwerk erlangt hat.

In etwas verklausulierten Formulierungen stellt der BGH fest, dass die gesetzliche Vermutung auch bei Schwarzbauten greift, obwohl diese grundsätzlich von der Sachenrechtsbereinigung ausgenommen werden sollen. Der BGH sieht darin eine nur pauschale Nachzeichnung der DDR-Vorschrift, obwohl man diese durchaus dahin gehend interpretieren sollte, dass eine Abrissauflage auch bei Schwarzbauten nach 5 Jahren nicht mehr erfolgen dürfte. Das war eigentlich gerade der Sinn des § 11 Abs. 3 der Verordnung über Bevölkerungsbauwerke.

Der Anwendung von § 10 Abs. 2, Satz 2 SachenRBerG steht nach dem BGH nicht entgegen, dass die Grundstücksnutzung dem materiellen Baurecht der DDR widersprach, in dem eine Baugenehmigung fehlte. Die Vermutung umfasse darüber hinaus auch die Berechtigung zur bodenrechtlichen Inanspruchnahme des in fremdem Eigentum stehenden Grundstücks.

Auch steht der Anwendung dieser Regelung nicht entgegen, dass ein Erholungsnutzungsvertrag nach § 312 ZGB ausschloss, das Grundstück mit einem Wohnhaus zu bebauen und zu Wohnzwecken zu nutzen. Das ergibt sich bereits daraus, dass § 5 Abs. 1, Nr. 3, Satz 2 e SachenRBerG gerade diesen Fall als eigenständiges Regelbeispiel für Sachenrechtsbereinigungsansprüche aufgenommen hat.

In dem genannten Fall wurden die Sachenrechtsbereinigungsansprüche vom BGH letztlich doch nicht gewährt, weil eine bestandskräftige Untersagung der Wohnnutzung der Parzelle vorlag. § 29 Abs. 1 SachenRBerG bestimmt ja, dass die vorgesehene Aufgabe der Nutzung ein Grund für die Verweigerung von Sachenrechtsbereinigungsansprüchen ist. Der BGH erstreckte das auch auf die rechtliche Untersagung der Nutzung, auch wenn die Nutzung tatsächlich fortgeführt wird.

Der BGH räumt zwar ein, dass die Grenzen des Bestandsschutzes, den die Grundstücksnutzung des Klägers genießt, von den Verwaltungsgerichten enger gezogen wird, als das nach dem SachenRBerG der Fall ist. Dennoch müsse die bestandskräftige Untersagung von den Zivilgerichten beachtet werden.

So sehr die Ausführungen des BGH zur Reichweite des § 10 Abs. 2, Satz 2 SachenRBerG zu begrüßen sind, so bedauerlich ist die zuletzt genannte Auffassung. Sie läuft darauf hinaus, dass praktisch ein Wettlauf veranstaltet wird zur Durchsetzung von Sachenrechtsbereinigungsansprüchen einerseits bzw. zur Durchsetzung der Untersagung der Wohnnutzung andererseits.

Wenn die Sachenrechtsbereinigungsansprüche zuerst durchgesetzt werden, kann dagegen keine Untersagung der Wohnnutzung mehr stattfinden. Wenn eine Untersagung der Wohnnutzung bestandskräftig erfolgt ist, können Sachenrechtsbereinigungsansprüche nicht mehr durchgesetzt werden. Die Entscheidung hängt also von dem Zufall ab, wo schneller gearbeitet wird bzw. wo die Entscheidung ausgesetzt wird. Diese Situation ist unbefriedigend. Es bleibt zu hoffen, dass das Bundesverfassungsgericht Gelegenheit zur Klärung erhält.

Können Ansprüche nach Sachenrechtsbereinigungsgesetz verjähren?

Da immer wieder Sachenrechtsbereinigungsansprüche geltend gemacht werden, ergibt sich die Frage, ob dafür eine zeitliche Beschränkung besteht. Das Sachenrechtsbereinigungsgesetz selbst sieht keine Verjährungsfrist vor. Daraus ist gelegentlich die Schlussfolgerung gezogen worden, dass die Ansprüche unverjährbar sind. Das wäre dann allerdings eine Ausnahme von dem allgemeinen Prinzip, sodass nicht damit gerechnet werden kann, dass sich diese Auffassung durchsetzen wird.

Vielmehr muss damit gerechnet werden, dass folgende Argumentation Erfolg hat: Für die Sachenrechtsbereinigungsansprüche war keine Verjährungsfrist vorgesehen. Wenn sie der Verjährung unterliegen, hat damit die 30-jährige Verjährungsfrist gemäß § 195 BGB alter Fassung Anwendung gefunden.

Mit dem am 1. Januar 2002 in Kraft getretenen Schuldrechtsmodernisierungsgesetz ist die allgemeine Verjährungsfrist gemäß § 195 BGB auf drei Jahre verkürzt worden. Gemäß § 196 gilt aber für Ansprüche auf Übertragung des Eigentums an einem Grundstück eine zehnjährige Verjährungsfrist.

Um einen solchen Anspruch handelt es sich bei dem Sachenrechtsbereinigungsanspruch. Deswegen ist damit zu rechnen, dass die zehnjährige Verjährungsfrist angewendet wird. Also beginnt die kürzere Frist nach neuem Recht mit dem 1. Januar 2002 (Artikel 229, § 6 Abs. 4 EGBGB). Es wird also damit zu rechnen sein, dass Sachenrechtsbereinigungsansprüche mit Ablauf des 31. Dezember 2011 verjähren.

Daraus ergibt sich für alle diejenigen, die Sachenrechtsbereinigungsansprüche geltend machen können aus zwei Gründen das Erfordernis, das bald zu tun. Einmal deshalb, um einer Untersagung der Wohnnutzung vorzubeugen und zum anderen deshalb, weil zwar nicht sofort, aber doch in absehbarer Zeit Verjährung eintreten kann.

Prof. Dr. DIETRICH MASKOW, Rechtsanwalt, Berlin

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