• Kultur
  • Buchmesse Frankfurt/M.

Oh Gott!

Aufgelesen

  • Hans-Dieter Schütt
  • Lesedauer: 2 Min.

F rankfurts Gastland China führt tief und weit in die menschliche Geistesgeschichte hinein. Jetzt schauen wir plötzlich auf ein seltsames Foto. Das, was da oben prangt, zielt zwar nicht tiefer als die chinesische Kultur, aber doch enorm höher. So hoch, wie es höher nicht geht. Solche Höhe nennt man wohl das Erhabene.

Man möchte in solcher Stimmung gleich zu einer Furor versprechenden Neuerscheinung auf dem Buchmarkt greifen, Peter Seewalds Biografie über Jesus Christus. Oder noch einmal zur Biografie über dessen Vater, geschrieben von Jack Miles. Dieses beeindruckende Werbeplakat in der Nähe der Frankfurter Oper – darum geht es hier – fügt letztgenanntem Buch nämlich etwas wahrhaft Neues hinzu. Denn wir kennen zwar Gott, wir wissen um Gottes Sohn, wir erleiden täglich, an uns selber, Gottes Werk, wir irren wie Irre nach Gottes Ratschluss, wir fahren nach Bayern, wo jeder jedem ständig den Auftrag erteilt: »Grüß Gott!« Wo, bitte, geht's zu Gott? – fragt im übrigen eine Messe-Diskussionsrunde. Und von da oben nun das!, vom Foto, weithin leuchtend: Gottes Hand!

Mit der Szene jenes umstrittenen Maradona-Tores, das bei der WM 1986 gegen England das Tor zum Finale aufstieß, wirbt Frankfurt für das Gastland 2010 – Argentinien. Stafettenübergabe und Kontinuität: Chinas Gelber Kaiser Huangli ließ den Magen eines getöteten Feindes ausstopfen, um ihn mit Füßen treten zu können, und schon war das Spiel aller Spiele erfunden (vielleicht soll das runde China-Signet der Messe heimlich daran erinnern; und auf den Magen geht manchem manches, was ordnungspolitisch aus dem Land der Großen Mauer zu hören ist).

Vielleicht geht es überhaupt nur immer um Fußball, obgleich alle vom Lesen reden. Chinas Vizepräsident Xi Jinping sprach in Frankfurt von der »Harmonie als Strategie«, die durchzusetzen »Kraft und Mut eines Löwen« erfordere. Ein Löw, also ein Bundestrainer, würde da wohl eher von »kontrollierter Offensive« sprechen, aber das Wort stammt vom belesenen Otto Rehhagel, dem Hauptmann von Köpenick der Bundesliga – ihm gelang es schließlich, einer geistig bescheidenen deutschen Öffentlichkeit einzureden, er sei so eine Art Konfuzius des Spielfeldrandes. Man wundert sich, dass er nicht Ehrenmitglied der chinesischen Delegation ist. Aber ihn zog es nach Athen, denn ein gebildeter deutscher Fußballer weiß doch, dass Griechenland die Heimat der weisen Chinesen ist.

Darauf die Hand Gottes.

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