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Der Mann, der gegen Kahlschlag antrat

Nach 30 Jahren verabschiedet sich Mietervereins-Chef Hartmann Vetter in den Ruhestand

  • Bernd Kammer
  • Lesedauer: 2 Min.

Der Mann hat Ausdauer. Den Marathon läuft Hartmann Vetter locker in weniger als drei Stunden. Kein Wunder, dass er 30 Jahre lang als Chef des Berliner Mietervereins durchgehalten hat, obwohl er anfangs sofort wieder hinschmeißen wollte. Heute verabschiedet sich der drahtige 64-Jährige tatsächlich in den Ruhestand.

Alles begann mit einer BILD-Schlagzeile: »Riesenkrach beim Mieterverein«, titelte das Blatt am 1. August 1979. Von Putsch ist die Rede und einem neuen Vorstand mit utopischen Zielen und einer politischen Linie »weit links außen«. Das ist nicht ganz falsch, doch arbeiten die »Putschisten« schon so professionell, dass BILD in einem juristischen Vergleich gezwungen wird, als Wiedergutmachung alle Bezirksanschriften des Vereins abzudrucken. Der Rechtsanwalt, der dies durchsetzte, hieß Hartmann Vetter. Vier Monate später war er der neue Geschäftsführer der Mieterorganisation im Westteil der Stadt.

Es waren turbulente Zeiten, als der »68er« antrat: Kahlschlagsanierung, Mietwucher, Spekulation mit Wohnraum treibt die Leute auf die Straße. Der erneuerte Mieterverein mischt sich in die Stadtentwicklungspolitik ein, kämpft mit spektakulären Aktionen um bezahlbaren Wohnraum. 1982 organisiert er das erste Bürgerbegehren in Westberlin, um die Abschaffung der Mietpreisbindung zu verhindern, später werden noch einmal 490 000 Unterschriften mit diesem Ziel gesammelt. Heraus kommt ein Kompromiss: als Instrument der Mietendämpfung wird der Mietspiegel eingeführt.

Vetter leistet auch einen ganz persönlichen Beitrag zum Erhalt preiswerten Wohnraums: 1980 kauft er mit anderen ein leer stehendes Mietshaus am Stuttgarter Platz und saniert es mit Fördermitteln – das erste Selbsthilfeprojekt. In diesem Haus wohnt er heute noch.

Unter seiner Führung entwickelt sich der Verein zum größten im Deutschen Mieterbund: Zählte er 1979 noch 10 000 Mitglieder, sind es derzeit 150 000. Heute treten jährlich etwa 10 000 Mieter bei. Was auch auf deren Situation hindeutet. »Auch im rot-roten Senat sitzen nicht nur geborene Mieterfreunde«, sagt Vetter. Er habe aber den Eindruck, dass sich da was tut: »Wir brauchen besonders für Neuverträge eine Mietpreisbegrenzung, die funktioniert.«

Dafür wird sich nun Vetters bisheriger Stellvertreter Reiner Wild einsetzen.

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