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Blick-Krieg

  • Tom Mustroph
  • Lesedauer: 2 Min.

Die Berliner Mauer war eines der weltweit am stärksten beobachteten Bauwerke. Daran erinnert die neue Sonderausstellung »Wall Patrol« im Alliiertenmuseum in Dahlem. Sie besteht aus Fotos und Filmen, die französische, britische und US-amerikanische Soldaten auf ihren Sondierungsfahrten entlang der Grenze zeigen. Blickrichtung ist von West nach Ost. Oft genug werden dabei Grenzsoldaten einfangen, die per Fernglas und Fotoapparat zurücksehen. Dank der Unterlagen aus den Archiven der Staatssicherheit darf man aber auch von Ost nach West schauen. Leider kommt es nicht zum absoluten Clou, dass sich am gleichen Tag und am gleichen Ort aufgenommene Fotos kreuzen. Aber auch ohne diesen Königsmoment der gegenseitigen Beobachtung entfaltet sich ein wahrer Blick-Krieg in der Ausstellung. Penibel aufbereitet ist auch, wie die Beobachtungsparteien ihr Wissen vom damaligen Gegner systematisierten. US-Einheiten notierten Sollstärke und Ausrüstung der Grenzregimenter. MfS und Grenztruppen listeten hingegen auf, wann, wo und in welcher Stärke die Alliierten »Grenzverletzungen« begingen.

Hauptausstellungsstücke aber sind Filme und Fotos von den Erkundungsfahrten der Westalliierten. Sie geben meist den Eindruck von gemütlichen Spazierfahrten wieder. Ein sehr prägnantes Foto zeigt auf der Westseite spielende Kinder, während nur wenige Schritte östlich Panzersperren errichtet werden. Oft genug geht die Fahrt aber auch über Feld- und Waldwege und bekommt daher den Charakter einer Landpartie. Aus militärischer Perspektive, in die der Betrachter dieser Filme und Fotos zwangsläufig gebracht wird, erscheint die Mauer nur als endlose und banale Routine.

Die Ungleichzeitigkeiten von Militär und Gesellschaft werden in zwei Dokumenten der französischen Armee deutlich. Noch im März 1989 ziehen Ostberliner Arbeiter – streng bewacht von Grenztruppen – eine Mauer quer über die Bernauer Straße. Und im Dezember 89, als die Mauer längst durchlässig ist, begleitet ein Kamerateam eine französische Streife auf dem Kontrollgang in Lübars. »Hat sich da drüben etwas geändert?«, wird der Chef der Patrouille gefragt. »Nein, alles wie sonst immer«, antwortet dieser. Aus Sicht der Westalliierten schien die Mauer tatsächlich nicht mehr als ein Routine-Objekt zu sein. Schön, dass die Ausstellung daran erinnert. Im letzten Teil der Dauerausstellung, ist übrigens ein Teil des 1956 entdeckten Spionagetunnels unter der Sektorengrenze zu sehen.

»Wall Patrol«, bis 5.4., Alliiertenmuseum, Clayallee 135, Do – Di 10 – 18 Uhr, Eintritt frei.

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