Neues Etikett für alte Hochschulpolitik

Unmut über Einstand von Hamburgs Uni-Chef

  • Reinhard Schwarz, Hamburg
  • Lesedauer: 4 Min.
Kaum im Amt, muss sich der neue Präsident der Universität Hamburg, Dieter Lenzen, bereits Kritik gefallen lassen. Unmut erregt ein undurchsichtiges Wahlverfahren sowie die Wirtschaftsnähe des neuen Uni-Chefs. Doch Lenzen geht auch nicht in allen Fragen konform mit Hamburgs Wissenschaftssenatorin Gundelach.

Der neue Präsident der Universität Hamburg, Dieter Lenzen, wurde von den Studierenden nicht gerade mit offenen Armen aufgenommen. Auch nach der Neuwahl der Uni-Leitung hielten Hamburger Studenten das Audimax zunächst weiter besetzt und beteiligen sich an Protestaktionen gegen die neoliberale Ausrichtung von Forschung und Lehre.

Mehr als erfreut zeigte sich hingegen Wissenschaftssenatorin Herlind Gundelach (CDU): »Er (Lenzen) hat an der Freien Universität Berlin bereits gezeigt, wie man eine Universität zukunftsfähig aufstellt und an die Spitze führt.« Aufatmen dagegen an Lenzens früherem Wirkungsort. Das Verhältnis des als »Uni-Manager« gerühmten Erziehungswissenschaftlers zur rot-roten Landesregierung galt als eher angespannt und belastet. Berlins Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) rief dem scheidenden Hochschuldirektor denn auch einen »herzlichen Glückwunsch und gute Reise« hinterher, was nicht unbedingt nett gemeint war. »Dann soll er nach Hamburg gehen, wenn er meint, dort ist es besser«, sagte Wowereit im Berliner Abgeordnetenhaus.

Anscheinend ist es in der Hansestadt tatsächlich besser, zumindest für Lenzen, der sich mehrere Wochen Zeit ließ, bevor er den Job offiziell annahm. In einer Gemeinsamen Erklärung haben Lenzen und Wissenschaftssenatorin Gundelach denn auch bereits den Rahmen für die Abänderung der Bachelor- und Master-Reformen abgesteckt.

Budget eingefroren

Die Verfasser versprechen den protestierenden Studenten »eine Verringerung der Prüfungsdichte, eine stoffliche Entlastung und eine realistische Definition der Arbeitsbelastung«, was auch immer darunter zu verstehen ist. Auch eine Erleichterung der »Studierenden-Mobilität« wird angekündigt. Gemeint ist damit vermutlich der von Wirtschaftsverbänden stets angemahnte Auslandsaufenthalt, der angesichts drastisch verkürzter Studiengänge von den meisten zeitlich kaum zu bewältigen sein wird. In den letzten Monaten protestieren auch in Hamburg die Studierenden gegen komprimierte und verkürzte Bachelor- und Master-Studiengänge. Auf Kritik stößt besonders Punkt zwei der Gemeinsamen Erklärung, in dem es heißt, dass das »Budget der Universität bei gleichbleibenden Anforderungen an die Studienplatzzahlen bis 2014 im Saldo im Wesentlichen konstant bleiben (wird)«. Diese Festlegung berücksichtige nicht, dass im Jahr 2010 ein doppelter Abiturjahrgang entlassen und sich an den Hochschulen um einen Studienplatz bewerben werde, kritisiert die Linksfraktion in der Hamburger Bürgerschaft in einer Stellungnahme. »Entgegen der politischen Absicht, die Studierendenquote und damit die Akademikerquote zu erhöhen, gehen Herr Lenzen und der Senat von einer gleichbleibenden Studienplatzzahl bis 2014 aus«, erklärte Dora Heyenn, Chefin der Linksfraktion.

Noch härter gehen die protestierenden Studenten mit dem neuen Uni-Direktor ins Gericht. »Not my President«, heißt es beispielsweise lapidar über Lenzen auf einem Plakat. Auf einem anderen Spruchband wird dem 61-Jährigen gar die »Rente mit 61« empfohlen. Diese massive Ablehnung hat ihren Grund auch darin, dass Lenzen offizieller Berater beim Netzwerk »Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft« ist, das seit Jahren die neoliberale Ausrichtung der Gesellschaft propagandistisch begleitet

AStA gibt Vorschuss

Die gewählte Studentenvertretung, der Allgemeine Studierendenausschuss (AStA), will dem neuen Uni-Präsidenten allerdings einen Vertrauensvorschuss zubilligen. Lenzen habe sich schließlich auch gegen Studiengebühren ausgesprochen und zur akademischen Selbstbestimmung bekannt, sagte AStA-Vorsitzender Séverin Pabsch. »Es ist grundsätzlich zu begrüßen, dass dieser Posten wieder besetzt ist, weil die Uni nun von ihrer Schockstarre befreit wird«, so Pabsch. Nach dem Rücktritt von Lenzens Vorgängerin Monika Auwetter-Kurtz im Juni dieses Jahres war der Posten des Uni-Präsidenten über Monate vakant geblieben. Auch in der Frage des zukünftigen Standorts der Uni Hamburg geht Lenzen nicht konform mit Wissenschaftssenatorin Gundelach. Die möchte die Hochschule gern in die neue Hamburger Hafencity verlegen.

Wie bei der Entscheidung für Auwetter-Kurtz vor einigen Jahren steht aber auch bei Lenzen das Wahlverfahren wegen mangelnder Transparenz in der Kritik. So war eine Findungskommission bestehend aus je vier Mitgliedern des Akademischen Rats und des Hochschulrats mit der Nachfolgersuche beauftragt worden. Unmut erregt dabei vor allem die Zusammensetzung des seinerzeit noch von der CDU-Alleinregierung eingesetzten Hochschulrats, der je zur Hälfte aus vier Professoren und vier Vertretern der Wirtschaft besteht.

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