Mit dem Charme des Unperfekten

Musik-Kabarett der seltenen Art präsentiert Ass-Dur im Heimathafen Neukölln

  • Volkmar Draeger
  • Lesedauer: 3 Min.
Übergriffe ins fremde Revier: das Ass-Dur-Duo Benedikt S. Zeitner (li.) und Dominik Wagner
Übergriffe ins fremde Revier: das Ass-Dur-Duo Benedikt S. Zeitner (li.) und Dominik Wagner

Dreizehn Kleinkunstpreise haben sie bereits eingeheimst, den jüngsten im Dezember 2009, als prominentesten den Europäischen Kleinkunstpreis ein Jahr zuvor. Das macht neugierig auf sie, den blonden Dominik Wagner und den dunkelhaarigen Benedikt S. Zeitner, beide demnächst Absolventen der Hochschule für Musik »Hanns Eisler«. Operngesang studiert Dominik, Regie Benedikt, zusammen heißen sie Ass-Dur und bieten seit rund zwei Jahren Musik-Kabarett der selteneren Art. Gleich das Debüt-Programm bescherte ihnen Erfolg und lässt sie landauf, landab touren. Im Heimathafen Neukölln ankert »1. Satz – Pesto« gegenwärtig und amüsiert seine Zuschauer auf erfrischende Art. Denn noch sind die beiden sympathischen Mittzwanziger nicht so abgefahren wie lang gediente Kollegen, präsentieren keine Kunstfiguren, bleiben bei sich und ihrem Studentenalltag. Da mag manches Bonmot des selbst gestrickten Zwei-Stunden-Programms eher Insidern vertraut sein. Ehrlich und authentisch wirken die Ass-Duristen, stellen sich dem Publikum, gewinnen es mit leisen Tönen und originellen Einfällen. Der Charme des noch Unperfekten, Unfertigen gibt dem Abend gewinnenden Reiz.

Gleich im ersten Beitrag polarisieren sich die Typen. Benedikt gibt da den angetrottelt näselnden und nuschelnden Dozenten, der oberphilosophisch ins Musical einführt und mit baritonalem Glanz singt. Mit Dominik als abgerissenem Pianisten kann daraus nur eine Persiflage werden. Abstruse Studienregelungen sind nächstes Thema, witziger fällt Dominiks Zauberei mit Bällen aus, romantischer Benedikts Hommage an Popballaden, wenngleich sich der Text ums Kuchenbacken dreht. Immer wieder bedienen sie ein Kontrastschema: Benedikt möchte den Zuschauern mit hehrer Geste große Kunst nahebringen; wenn er sich dabei überhitzt, holt ihn sein Partner in tonlos trockenen Kommentaren auf das Menschliche zurück. Das funktioniert mit der Leitmotivtechnik und einer realen Vogel-Rettungs-Geschichte, die an »Peter und der Wolf« erinnert und Dominiks Klavierimprovisation ausstellt, von Grieg über Show bis zu »Herr der Ringe«.

Als echter Komödiant auf dem Bechstein-Flügel wird bei ihm die Beethoven-Petitesse »Für Elise« zu Tango, Boogie, Salsa, klingt nach der Pause »Happy Birthday« wie die »Mondscheinsonate«, mit flinken Läufen wie von Mozart, gewaltig wie bei Tschaikowski, sogar wie ein Filmsong im Stil von James Bond oder »Star Wars«. Dass Ass-Dur zwei Könner auf dem Klavier hat, beweisen sie in Liszts »Ungarischer Rhapsodie«: Jedem die halbe Tastatur, mit Übergriffen jedoch ins fremde Revier und Rempeleinlagen. Wie ein Kinderlied von der leicht geführten Mozart-Arie über einen dramatischem Beethoven zu zerborstener Gegenwartsmusik werden kann, darin hat Benedikt seinen großen Auftritt. Höhepunkt des Abends ist das Schlussmedley, in dem sich Ass-Dur unter fortwährendem Klavierspiel aus- und umzieht, mit solidarischer Hilfe und in den sonderlichsten Posen. Von der »Ballade pour Adeline« bis zu »My heart will go on« aus »Titanic« wird dazu intoniert, bis die zwei, augenzwinkernde Gentlemen, sich wieder in Jeans und Sakko verbeugen können. Strahlend und vielleicht schon mit Plänen für die nächste Produktion im Hinterkopf.

Bis 17.1., 20 Uhr, Heimathafen, Karl-Marx-Straße 141, Neukölln, Kartentelefon 56 82 13 33, Infos und Termine im Internet unter: www.heimathafen-neukoelln.de

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