nd-aktuell.de / 23.01.2010 / Reise / Seite 26

Die Uckermark als Wanderparadies

Unterwegs auf dem Märkischen Landweg in Deutschlands größtem Landkreis

Jirka Grahl
Winterzauber am Märkischen Landweg
Winterzauber am Märkischen Landweg

Um mal die Maße zu beschreiben: Der größte Landkreis Deutschlands ist genauso groß wie das kleinste Bundesland. Nun gut, man muss dazu die Städte Berlin, Hamburg und Bremen außen vorlassen. Aber richtig ist auf jeden Fall: Die Uckermark im Norden Brandenburgs erreicht in etwa die Ausmaße des Saarlandes. Andererseits ist die Uckermark eine der am dünnsten besiedelten Gegenden des Landes (130 000 Einwohner). Bereist man die Uckermark, diesen menschenarmen Flecken in Brandenburg, geraten einem die Relationen schnell durcheinander: Stille wird plötzlich laut, Weite geht einem nahe, Vergangenes scheint in Lebendigkeit auf. Vor allem, wenn man zu Fuß durch diese Landschaft geht – durch die Gegend wandernd in jener Gemächlichkeit, mit auch der Uckermärker das Leben zu nehmen weiß.

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Auf halber Strecke zwischen Templin und Angermünde liegt Poratz, ein winziges Dörfchen mit pittoresken Fachwerkhäusern, das einst von Köhlern bewohnt war. Die Dächer sind niedrig, das Fachwerk ist simpel – dennoch verzaubert der Ort mit schlichter Schönheit. Wer von hier auf der sandigen Dorfstraße in Richtung Ringenwalde losläuft, wird garantiert kaum anderen Wanderern begegnen, Autos gleich gar nicht.

Mitten in einem Waldstück steht plötzlich ein Bushaltestellenschild. Tatsächlich: Laut Fahrplan kommt hier zweimal die Woche ein Bus vorbei. Über einen alten Knüppeldamm – so nennt der Märker eine Feldsteinstraße – führt der Weg, die Landschaft öffnet sich. Linden und Buchen säumen die Allee, Pferde und Schafe weiden ringsum. Dass Deutschlands größter Landkreis gleichzeitig auch der am dünnsten besiedelte ist, kann man auf dieser Wanderung erleben, Schritt für Schritt.

In Ringenwalde angekommen, einem hübschen Dorf mit einer Feldsteinkirche von 1280, führt der Uckermärker Tourismuschef Stefan Zierke stolz in den Gasthof zur Eisenbahn, der vom Restaurant »Der Feinschmecker« seit 2006 jedes Jahr lobend erwähnt wird.

Hirschgeweihe prangen an der Wand der hölzern-urigen Gaststube, die als Jagdzimmer eingerichtet ist. Kristian Holfeld, der Wirt, zitiert zur Begrüßung aus einem uckermärkischen Speisenzettel des 19. Jahrhunderts: »Middwoch gifft dat Klüt und Beern, Dunnersdag künn w' Kohl verzehrn, Fridag kukn w` dittmal Wruken, Nudelsüpp müdd'n w' Sonnabend schluckn.« Er übersetzt sogleich: »Mittwochs Klöße und Birne, donnerstags Kohl, freitags Kohlrüben, sonnabends Kartoffelsuppe.«

Ja, wie nun? Nudelsüpp oder Kartoffelsuppe? »Der Uckermärker sagt Nudel zur Kartoffel«, erklärt der Eisenbahnwirt und lächelt in sich hinein. Wie oft hat er diese Frage schon beantworten müssen!

In der Küche des Eisenbahn-Gasthofes (die benachbarte Bahnlinie Joachimsthal-Ringenwalde ist stillgelegt) spielt die Nudel eine wichtige Rolle: Deftig-erdig zum Beispiel in der Nudelsüpp med Plum und Speck (Kartoffelsuppe mit Backpflaumen und Speck), als schlichter Begleiter zum Kadümzel (Kaninchenfrikassee), oder raffiniert-säuerlich als Suernudeln mit Boddermelk (Buttermilchkartoffelbrei), der hier zum Kloppschinken (Panierter, gebratener Schinken) gereicht wird. Die meisten Rezepte stammen von einer Nachbarin, der Oma Fietze, der in der Karte ein eigenes Gericht gewidmet ist.

Weil Holfeld ein Wahrer der erdig-direkten uckermärkischen Küche ist, sticht der Gasthof zur Eisenbahn hervor. Und weil mit regionalen Bioprodukten gekocht wird und die meisten Hauptgerichte weniger als 15 Euro kosten, kommen reichlich Gäste in die abgelege Seitenstraße. Ein Landgasthof, wie er sein soll, eine perfekte Einkehr auf der Wanderung.

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Die Touristiker der Region haben reagiert. Neben den 400 Seen der Region wird mittlerweile immer auf das Wandern gesetzt, erzählt Tourismuschef Stefan Zierke. »Eigentlich führt jede Wanderung hier zwangsläufig an einem See vorbei« sagt Zierke, »und die Kombination Wandern und zwischendurch mal in den See springen ist doch perfekt«. Manch einer müsse allerdings erst auf diese Möglichkeit hingewiesen werden: »Immer wieder staunen die Besucher, die aus den alten Bundesländern kommen, dass man hier einfach in jeden See springen darf. Bei ihnen zu Hause sind viele Seen in Privatbesitz und dass man außerhalb eines öffentlichen Bades einfach ins Wasser geht, sind sie nicht gewohnt Umso besser gefällt es ihnen hier.«

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Hauptwanderroute unter den mehr als 1000 Kilometern Wanderwegen in der Uckermark ist der »Märkische Landweg«, zu dem auch das hügelig-schöne Stück zwischen Poratz und Ringenwalde gehört. Der Weg führt in Etappen auf 217 Kilometern vom Feldberger Seengebiet über Lychen und Templin an den Uckermärkischen Seen entlang über Schwedt bis in den Nationalpark Unteres Odertal – stets bestens ausgeschildert, so dass der Weg vom Deutschen Wanderverband mit dem etwas sperrigen Titel »Qualitätsweg Wanderbares Deutschland« bedacht wurde: Ein Prädikat, das insgesamt 12 Wanderwege in ganz Deutschland tragen dürfen.

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Zwei der schönsten Wandertouren abseits des Märkischen Landweges liegen in Boitzenburg, wo dereinst die Adelsfamilie von Arnim residierte. Die Rundwege Großer und Kleiner Boitzenburger (9,5 bzw. 10,5 Kilometer lang – zusammen der Doppelte Boitzenburger), die beide trotz der hügeligen Landschaft selbst von Familien mit Kindern gut zu bewandern sind. Von der Klosterruine über Marienpforte, vorbei an jahrhundertealten Eichen und Buchen im »Tierpark« (ein ehemaliger Hutewald), vorbei an der Kirche St. Maria auf dem Berg, vorbei an etlichen Seen zum Schloss – eine malerische Kulturlandschaft. Uckermark.

Beim Spaziergang in Boitzenburg erzählt Touristiker Zierke, dass mittlerweile etliche Prominente ihre Sommerhäuser in der Uckermark haben – wegen der schönen Natur, und weil die Märker den Prominenten ihre Ruhe lassen würden. Nein, Namen wolle er nicht nennen, sagt er, aber dann raunt er doch etwas vom berühmten Schauspieler Armin Mueller-Stahl, der in der Uckermark ein Haus habe und dort ganz ungestört Privatmann sein könne.

Doch die unbekannte, unbehelligte Uckermark holt auf: Das »Wandermagazin« hat den »Doppelten Boitzenburger« zum »Schönsten Wanderweg Deutschlands 2009« gewählt. Womöglich begegnet der große Mime bei seinen Waldspaziergängen fortan dem einen oder anderen Wanderer mehr.

  • Die besten Wanderrouten in der Uckermark sind unter www.wandern-uckermark.de beschrieben.
  • Die Tourismus Marketing Uckermark GmbH ist unter Tel.: (03984) 83 58 83 zu erreichen (www.tourismus-uckermark.de). Hier kann die Broschüre »Wandern in der Uckermark« bestellt werden.
  • Gasthof zur Eisenbahn, Dorfstraße 6, 17268 Temmen-Ringenwalde. Tel. (039881) 279. Internet: www.gasthof-zur-eisenbahn.de.
  • Winter-Prozente für Urlaubssparer: Zwei Personen für 59 Euro pro Nacht – damit lockt die Tourismus-Marketing Brandenburg noch bis 1. April ins winterliche Brandenburg. Für 79 Euro gibt's eine Suite mit Balkon oder ein Turmzimmer mit Seeblick.
  • Im Internet sind unter www.winterliches-brandenburg.de alle 134 Angebote buchbar, der Buchungsservice der TMB ist unter (0331) 200 47 47 zu erreichen. Auf demselben Weg kann auch die Broschüre »Winterliches Brandenburg« bestellt werden.