Die Rockstars der Investmentbanken

Kristof Magnusson gelang mit »Das war ich nicht« ein traurigkomisches Drama

  • Lilian-Astrid Geese
  • Lesedauer: 3 Min.

Nach dem erfolgreichen Romanerstling »Zuhause« (2005) und der Komödie »Männerhort«, die an zwanzig Theatern im In- und Ausland lief, erwartet die Leserin viel. Und wird vom Hamburger Autor Kristof Magnusson, Jahrgang 1976, nicht enttäuscht. »Das war ich nicht« liest sich witzig und klug. Exzellente Unterhaltung, das will ja gekonnt sein! Neben einer spannenden Story, die an so charmanten Orten wie im Bankenviertel Chicagos, im Hamburger Schanzenviertel und dem supermarktlosen Dorf Tetenstedt spielt, bringen die ironischen Seitenhiebe auf das Finanzmarkt- und Großstadtestablishment echten Lesespaß.

»Auf die Rehabilitierung des Wortes bürgerlich folgte Nachwuchs. Eines der mit uns befreundeten Paare, Gösta und Regine, hatte vor einigen Jahren mit einem Hund angefangen, den sie Leander nannten, woraufhin Lars und Sabine mit einem Kind konterten, das sie Friedrich nannten. Als Lars und Sabine ein zweites Kind bekamen, von dem ich mir nie merken konnte, ob es Sophia-Marie oder Maria-Sophie hieß, blieb Gösta und Regine nichts anderes übrig, als mit dem kleinen Maximilian wenn schon nicht gleichzuziehen, so doch einen Anschlusstreffer zu erzielen.«

Aber Magnusson thematisiert nicht nur die ökologisch korrekte Konkurrenz ums alternative (?) Familienidyll – das von glücklichen Mönchen produzierte Himalaya-Salz bitte unbedingt nur in der Peugeot-Gewürzmühle schroten! – sondern auch hochaktuell die Finanzkrise. Deshalb wäre »Das war ich nicht« meine Buchempfehlung auch für diejenigen, die immer schon mal wissen wollten, wie Geldverbrennung und Derivate funktionieren, ohne die Financial Times zu abonnieren. Es ist sozusagen der Roman zum letzten Jahr.

Drei Protagonisten sind es, deren Geschichten miteinander verwoben sind; drei Leben kreuzen sich auf ganz und gar unerwarteten Wegen. Da ist zum einen der amerikanische Bestsellerautor Henry LaMarck, der, um bei einer TV-Debatte neben seinem Freund und Top-Entertainer Elton John nicht völlig uneloquent zu verblassen, unvorsichtigerweise ankündigt, er werde »den Roman des 21. Jahrhunderts« zum Thema 9/11 schreiben. Leider fällt ihm dann nichts dazu ein.

Während der Pulitzer-Preisträger in spe zwischen Schreibblockade und der normalen Lebenskrise männlicher Schriftsteller der Generation 60+ gänzlich die Orientierung zu verlieren droht und einfach verschwindet, hofft seine deutsche Übersetzerin Meike Urbanski auf sein neues Werk. Schließlich hat sie sich gerade aus der immer biederer werdenden hanseatischen Schickeria und von ihrem Künstlerfreund Arthur befreit, ist aufs Land gezogen – und braucht Geld.

Nachdem sie ihre Biobrötchen jahrelang mit der Übersetzung von »Hausfrauenpornos« verdiente, hat sie endlich ihren Meister gefunden, den sie übrigens besser zu kennen glaubt, als dieser sich selbst: »Wäre ein Roman ein Wohnzimmer, so sehen Lektoren, Leser oder Kritikerinnen es sich lediglich an … aber nur die Übersetzerin hat unters Sofa geguckt, die Blumen aus der Vase genommen, den Fernseher auseinander- und wieder zusammengeschraubt. Niemand auf der ganzen Welt hat so viel Zeit mit Henry LaMarcks Werk verbracht, wie ich.« Meike beschließt, den untergetauchten Autor in jener Stadt zu suchen, in der sein erster, sein Schlüsselroman spielt: Chicago.

In Chicago lebt auch Jasper Lüdemann, ein karrieresüchtiger und köstlich betriebsblinder Trader bei Rutherford&Gold. Jasper kommt eigentlich aus einem Nest bei Bochum. Aber das ist lange her. Für ihn dreht es sich heute um Millionen – Dollar, Euro, egal. Die Börse und ihre seltsamen Blüten sind die Welt, in der sich dieser moderne Django wieder reiten sieht: »Dabei ist mein Job total intensiv. Wir sind die Rockstars einer jeden Investmentbank. Nur ohne Fans.«

In einem fiktiven Starbucks-Klon laufen die Fäden der drei disparaten Helden ihrer Geschichten zusammen. Hier begegnen und verlieben sich Henry in Jasper und Jasper in Meike, und das ganz normale Chaos beginnt. Emotionale und finanzielle Spekulationen treiben das traurigkomische Drama seinem Höhepunkt zu, der hier nicht verraten werden soll. Vielleicht nur so viel: Das Ende ist … glücklich?

Kristof Magnusson: Das war ich nicht. Roman. Verlag Antje Kunstmann. 283 S., geb., 19,90 €.

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